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Schattenlord 7 - Das blaue Mal

Titel: Schattenlord 7 - Das blaue Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Mythen umzustricken und für ihre Zwecke neu zu formulieren?
    Ja, so war es wohl gekommen.
    »Die Herrscherin mit dem Blauen Mal war gegen Krankheiten gefeit, und sie hatte stets Bewacher um sich, die für ihre Sicherheit sorgten«, fuhr Lirla fort. »Doch eines Tages geschah ein Unglück. Eines, das hätte werden sollen, ja, hätte verhindert werden müssen . Denn der Anführer der Leibwache der Herrscherin versagte. Die genauen Umstände des Todes der Ersten Gesandten sind uns Dienern im inneren Kreis des Palastes nicht mehr bekannt. Einige Priester wissen noch, was sich damals zugetragen hat. Doch sie geben dieses Wissen nicht weiter. Es gilt als Verrat am Volk Dar Anuins, diese schicksalhaften Geschehnisse lebendig zu erhalten. Wir müssen alles unternehmen, um die Stadtbewohner in dem Glauben zu lassen, dass die ursprüngliche Herrscherin nach wie vor unter ihnen ist und über sie wacht.«
    Da passte einiges nicht zusammen. In erster Linie war es das Verhalten Barans, Maletorrex’ und auch das Lirlas, das sie an dieser Version der Geschichte zweifeln ließ.
    »Die Elfen werden also im Ungewissen gehalten. Damit sie niemals ihren Glauben verlieren.«
    »... und damit die Stadt Dar Anuin in all ihrem Glanz und ihrer Pracht bestehen bleibt.«
    Wie viel Wahrheit steckte in Lirlas Worten? War die Syndicatin von dem überzeugt, was sie sagte? War sie selbst Opfer eines Betrugs, oder war sie mitbeteiligt am Weben eines Netzes perfider Lügen?
    Spielt es denn eine Rolle?, fragte sich Zoe. Fakt ist, dass die Priesterkaste das Volk Dar Anuins fest im Griff hält. Von Maletorrex und Konsorten geht die wahre Gefahr aus. Lirla, Baran und Epimos sind bestenfalls Helfershelfer.
    Was oder wen hatte Laycham gemeint, als er sie vor der »Wächter-Furie« gewarnt hatte? Und: Warum vertraute sie dem Mann mit der Maske?
    Weil es so scheint, als wäre er selbst ein Opfer. Als wäre er wie ich in eine ganz bestimmte Rolle gezwungen.
    »Genug geplaudert«, unterbrach Lirla ihre Gedanken. »Du musst über die Etikette am Hof genauest Bescheid wissen. Du wirst in der Öffentlichkeit stehen und auch Bittsteller empfangen müssen. Einige Angehörige des Hochadels bemühen sich seit langer Zeit um einen Termin bei der Regentin.«
    Der höfische Firlefanz war gewiss unabdinglich und Teil der Folklore von Innistìr. Als Model, das durch die härtesten Schulen gegangen war, wusste Zoe ganz genau, worauf die diversen Couturiers Wert legten - und was war die Syndicatin schon anderes als ein Modemacher, ein Schneider, der von seinen Mitarbeiterinnen absolute Perfektion verlangte?
    Zoes Interesse erlosch. Sie hatte gelernt, mit halbem Ohr zuzuhören - und dennoch die Quintessenz des Gesagten in ihrem Gedächtnis zu bewahren. Wie oft hatte sie schon ein dümmliches, nur an Oberflächlichkeiten interessiertes Geschöpf gegeben, während ihr Geist auf Wanderschaft gegangen war und sich für weitaus wichtigere Dinge interessiert hatte?
    Sie mimte Konzentration. Wann immer Lirla ihr eine Frage stellte, blickte sie wie suchend umher, als fände sie in den Ritzen der Wände und auf den vor ihr ausgestreut liegenden Blättern die passenden Antworten. In Wirklichkeit jedoch sah sie sich um. Suchte nach Dingen, die ihr als wichtig erschienen und die bei einer Flucht hilfreich sein mochten.
    Wie war der Frauentrakt des Palastes aufgebaut? Wo in diesem Wirrwarr an Gängen und Räumen befand sie sich? Was konnte sie als Waffe verwenden, was für ein mögliches Ablenkungsmanöver?
    Zoe schnappte alles Mögliche an Eindrücken auf. Ungeordnete Informationen, die sie in ihrem Hinterköpfchen abspeicherte und über die sie in den viel zu kurzen Ruhe- und Mußestunden nachdenken konnte.
    Ein Ölgemälde, etwa drei mal zwei Meter groß, zeigte ein Schlachtengewimmel, an dem hauptsächlich Elfen teilnahmen, aber auch andere Wesen, deren Existenz Zoe bis vor wenigen Wochen dem Gemüt von Wahnsinnigen zugeschrieben hatte. Doch nun nahm sie es als glaubhaft hin, dass fliegende Delfine einen erbitterten Kampf gegen Wesen mit Ameisenkörpern und Schweineköpfen ausfochten.
    Wie schnell sich der Mensch doch anpasst ...
    Sie sah eine Bewegung. Unmittelbar neben dem gemalten Kopf eines Elfen, der eben seinen Speer in die Brust eines Zentauren rammte, schob sich etwas über die Leinwand - oder tauchte es daraus hervor? Verließ es die Leinwand, um physische Realität anzunehmen?
    »Was ist los, Gesandte?«
    Zoe deutete auf das Bild. Auf einen etwa handgroßen Körper von

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