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Schattenlord 7 - Das blaue Mal

Titel: Schattenlord 7 - Das blaue Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ganz besonderen Hort des Wissens zu machen, weitab von all den anderen Orten, in denen Elfen das Sagen hatten und sich dem Intrigenspiel hingaben?
    Abelae kam herangestapft. Sein Bart war in beeindruckendem Maß gewachsen. Er musste sich das Gestrüpp längst um die Hüfte binden oder es sich über die Schulter werfen, wenn sie sich liebten. Der Soldat gab sich allen anderen Stadtbewohnern gegenüber als unnahbar. Nur ihr erlaubte er, zu ihm, zu seinem vielschichtigen Wesen vorzudringen.
    »Sie sind ein faules Pack, allesamt!«, rief er Shire entgegen, ohne sich darum zu kümmern, dass er mit seinem lauten Stimmorgan jedermann im Rund des Vulkankraters seine Meinung wissen ließ. »Sie schleppen sich durch den Tag, um am Abend zu feiern und sich irgendwelchen Spielchen hinzugeben.«
    Shire wartete, bis er nahe genug heran war, bevor sie entgegnete: »Du tust den Leuten unrecht wie immer. Sie geben ihr Möglichstes. Allesamt sind sie mit ganzem Herzen bei der Sache.«
    »Ich weiß.« Abelae fuhr mit beiden Händen in eine Holztonne und schöpfte Wasser, das er sich über sein verstaubtes Gesicht wischte. »Aber man muss sie motivieren. Immer wieder.«
    »Du solltest diese Sache jemand anderem überlassen. Du bist nicht sonderlich gut darin.«
    »Hast du wen Besonderen im Sinn? Etwa deine ganz besondere Freundin?« Er nickte in Richtung der Schwarzseherin, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
    »Auch über deine Höflichkeitsformen werden wir uns heute Abend unterhalten.«
    »Das bedeutet, dass du heute das Bettlager mit mir teilen wirst?« Abelaes Stimme klang mit einem Mal unsicher.
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich werde es mir überlegen, während du mir ein Essen bereitest, mir deinen guten Willen beweist und versprichst, die Stadtbewohner mit mehr Respekt zu behandeln.«
    »Respekt?«, brüllte der Riese und zerrte dann so fest an seinem Bart, dass Shire befürchtete, er würde ihn sich ausreißen. »Vor diesen Würmern ...?«
    »Du verbesserst deine Lage gerade nicht sonderlich, Mann. Zügle gefälligst dein Temperament!« Shire drehte sich um und ließ Abelae stehen.
    Arachie Larma rückte bald zu ihr auf. Gemeinsam begaben sie sich in den kühlenden Schatten des Vestibüls des Weißen Hauses, um Decken auf den weißen Marmorplatten auszubreiten und es sich bequem zu machen.
    »Er ist ein ungehobelter Klotz«, mäkelte die Schwarzseherin. »Du hättest Besseres als ihn verdient.«
    »Ich bin mit meiner Wahl zufrieden. Es wird noch zwanzig oder dreißig Jahre dauern, bis ich ihn zurechtgebogen habe, aber ich bin guter Hoffnung.«
    »Deine Langmut überrascht mich.«
    »Es mag damit zu tun haben, dass ich nicht so viel über die Zukunft weiß wie du.«
    »Natürlich«, sagte die Schwarzseherin und versank in ihren Gedanken wie so oft.
    Shire war müde vom Tagwerk. Sie legte wie alle anderen Bürger Dar Anuins selbst bei den schwersten Arbeiten mit Hand an. Es galt als schändlich, beim Ausbau der Stadt zu viel Magie zu verwenden. Sie belegten sich mit Schutzzaubern oder erhöhten ihre Körperkräfte ein wenig, wenn es denn notwendig war. Doch niemals nahmen sie zu Berserkerzaubern Zuflucht, und noch weniger gönnten sie sich den Luxus, den Berg und die darin gespeicherten Kräfte verblichener Elfen für sie arbeiten zu lassen.
    Shire dachte an jene Vision, die sie zeitlebens begleitet hatte. Sie wurde allmählich Wirklichkeit. Sie gewann an Form und Kontur und Tiefe.
    Ihr Mal brannte. Es meldete sich wieder einmal zu Wort und drückte damit wohl Zweifel aus. Das geheimnisvolle Zeichen, das sie, solange sie sich erinnern konnte, auf der Stirn trug, rührte sich immer dann, wenn sie allzu viel Selbstsicherheit an den Tag legte. Es war ein Korrektiv ihrer Persönlichkeit. Wie ein Lehrer, der Shire ihre Fehler deutlich machte. Sie mochte das Blaue Mal nicht missen. Es hatte ihr oft genug geholfen, das Richtige zu tun und in ihrer jugendlichen Selbstüberschätzung nicht in jene Fallen zu tappen, die mittlerweile einen Großteil des elfischen Lebensgefühls ausmachten.
    Shire hatte niemals etwas für Theatralik, Opulenz in der Lebensführung, Streitlust und die bösen kleinen Spielchen übrig gehabt, mit denen sich die Angehörigen der vielen Stämme und Familien den lieben Tag lang beschäftigten. Ihr Wunsch war es stets gewesen, Innistìr zu einem besseren Ort zu machen.
    Sie stand auf und achtete tunlichst darauf, die Schwarzseherin nicht aus ihrer Selbstversunkenheit zu reißen. Sie trat auf den Vorplatz des

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