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Schattenlord 7 - Das blaue Mal

Titel: Schattenlord 7 - Das blaue Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ins Wasser und presste es dann gegen die Schläfe. Ein kleiner roter Punkt hatte sich dort gezeigt, nachdem sie vom Thronraum in ihr Quartier zurückgebracht worden war. Lirla hatte ihr eine weitergehende Behandlung verweigert. Sie wusste, dass Baran sie hatte strafen wollen - und zeigte sich mit seiner »Disziplinierungsmaßnahme« durchaus einverstanden.
    »Dar Anuin war als Stadt besonderer Magie konzipiert«, fuhr die Syndicatin fort. »Die Architekten, die Polemiker, die Querdenker, die Revoluzzer, die Außenseiter des Denkens und des Schaffens, die sich hier zusammengefunden hatten, ließen die Stadt auf dem Glauben an ihre eigene Besonderheit fußen. Ihr Selbstvertrauen war unübertroffen. Sie sahen sich als die Größten unter den Großen - und womöglich hatten sie mit ihren Ansichten sogar recht.«
    Lirla griff nach einer Gemüsestange, brach sie entzwei und saugte Saft aus beiden Hälften; dann zerkaute sie die fasrigen Reste gründlich. Die Stäbchen schmeckten nach Mohrrüben und Sellerie, aber auch ein wenig salzig, wie Zoe mittlerweile wusste.
    »Es gibt in den Geschichtsbüchern Aufzeichnungen darüber, dass die Grenzen zwischen Größe und Größenwahn nicht allzu weit voneinander entfernt lagen. Darüber kann und mag ich nicht urteilen. Wichtig ist, dass dieser Glaube an die eigenen überragenden Fähigkeiten noch heute spürbar ist. Kein Wunder - es leben angeblich noch mehrere Dutzend der Stadtgründer in den Tiefen Dar Anuins, und dies nach mehreren tausend Jahren.«
    »Wo? Und wie?« Zoe schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form, Herzchen.« Lirla entblößte ihr strahlend weißes Gebiss. »Solltest du jemals die Gelegenheit erhalten, auf einen Spaziergang durch die unteren Bereiche Dar Anuins zu gehen, wirst du auf knorrige, alte Bäume stoßen, deren Äste sich bewegen, ohne dass der Wind weht. Auf dem Kraterboden könnte ein Fels liegen, dessen Oberfläche kühl ist oder leicht zittert. Oder aber du blickst auf die Front eines Hauses und meinst, in die Breite gezogene Gesichtszüge zu erkennen. Dies alles mögen Elfen sein, die hier Wurzeln geschlagen oder sich in einen langsameren Lebenslauf zurückgezogen haben. Sie durchdringen die Stadt. Sie geben ihr ... ihr ...«
    »Ihre Seele?«
    Lirla zögerte. »Mir ist der Begriff Seele bekannt. Aber die Elfischen besitzen so etwas nicht, und sie können es auch nicht weitergeben. Es sind vielmehr Erinnerungen. Erfahrungen. Werte, die die Nachfolgenden spüren und von denen sie zum Teil durchdrungen sind.«
    Also doch eine Art Seele, dachte Zoe für sich, sprach ihre Meinung aber nicht laut aus. »Was hat es mit der Frau mit dem Blauen Mal auf sich?«, fragte sie stattdessen.
    »Sie ist ein Teil des Mythos der Stadt. Der Glaube an die eigene Besonderheit konnte, wie die Stadtgründer sehr gut wussten, bloß durch Symbole aufrechterhalten werden, die die Zeiten überdauern. Eines davon ist das Himmelstor, durch das du Dar Anuin betreten hast. Ein anderes ist der Palast Kariëm, dessen Untiefen Platz für Geschichten und Mythen sonder Zahl bieten. Das dritte und bedeutungsvollste Symbol ist die Gesandte mit dem Blauen Mal.«
    Täuschte sich Zoe, oder klang Lirlas Stimme gar ehrfürchtig? War auch sie von diesem Mythos gefangen? Brachte sie ihm Sympathie entgegen, obwohl sie, Baran und die Angehörigen der Priesterkaste diesen Glauben offenkundig für ihre eigenen Zwecke missbrauchten?
    »Die Herrscherin mit dem Blauen Mal gilt als gottgleich. Sie wurde von den Göttern gesandt, wird allseits verehrt und gilt als unsterblich. Die Priester sind ihr Sprachrohr. Sie geben lediglich die Weisheiten der Herrscherin weiter und interpretieren sie, sollte es notwendig sein.«
    Wiederum behielt Zoe ihre Meinung für sich. Elfen waren nach allem, was sie bislang gesehen und erlebt hatte, Wesen, die keinerlei Glauben benötigten und auch kein Interesse daran zeigten. Was Lirla ihr erzählt hatte, mochte einen realen geschichtlichen Hintergrund haben. Sie glaubten an sich selbst und benötigten eine Priesterkaste, die sie immer wieder an jene Werte erinnerte, auf denen die Fundamente der Stadt ruhten. Dennoch fühlte Zoe, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Manche Dinge mussten im Laufe der Zeit verloren gegangen - oder ganz bewusst durch andere ersetzt worden sein.
    Was, wenn die Angehörigen der Priesterschaft irgendwann einmal Geschmack an der Macht und der Herrschaft gefunden haben? Was, wenn sie begonnen haben, die alten

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