Schattenlord 7 - Das blaue Mal
selbstverständlich nicht, und Fenster mit Aussicht ins Freie noch weniger.
»Meine Tierchen lassen mich spüren, dass der Morgen naht.« Vier riesige Schaben, doppelt so groß wie die üblichen Exemplare, saßen mit einem Mal auf Laychams Schulter.
»Dann treffen wir uns morgen Nacht wieder«, bestimmte Zoe.
»Das geht über meine Kräfte. Mein Palast ist gut ... verborgen. So gut, dass selbst ich Schwierigkeiten habe, die Eingänge zu finden und offen zu halten. Ich schlage vor, dass wir drei Tage warten ...«
»Nein!«, schnitt Zoe dem Prinzen das Wort ab. »Du wirst dich anstrengen müssen!«
»Warum hast du’s denn so eilig?« Laycham musterte sie misstrauisch.
»Übermorgen werde ich bei der Zeremonie zu den Tagen der Einkehr für die Priester sprechen. Wir beide werden die Gelegenheit zur Flucht nutzen.«
»Übermorgen? Du spinnst!«
»Worauf möchtest du warten?«
»Wir müssen alles genau durchplanen und auf jedwede Eventualität vorbereitet sein.«
»Du alter Zauderer! Wenn deine Mutter so gedacht hätte, hätte sie Dar Anuin niemals errichten können.«
Laycham warf ihr einen wütenden Blick zu, der Grog knurrte und stemmte die Beine in den Teppichboden, als wartete er bloß auf die passende Gelegenheit, über sie herzufallen. Dumme, dumme Zoe! Shire, seine Mutter, die Erste Gesandte, die uns all das eingebrockt hat, ist ein Tabuthema für den Prinzen. Mach so etwas niemals mehr wieder!
»Es tut mir leid«, sagte sie leise.
Laycham entspannte sich ein klein wenig. »Ist schon gut.« Er gab sich gelassen, doch Zoe spürte, wie es in ihm brodelte.
»Bleibt es also bei morgen?«, hakte sie nach.
»Ich werde sehen, was ich tun kann.« Der Prinz zögerte, kam dann auf sie zu und gab ihr steif seine Hand. »Danke«, sagte er. »Was auch immer geschieht: Du gibst mir etwas zurück, was ich längst verloren geglaubt hatte.« Er schob die Maske zurück in Position und schloss die Verriegelung.
»Bist du eigentlich reich, Prinz?«
»Wie bitte? Ja, selbstverständlich. Mutter hat mir unendlich wertvolle Dinge hinterlassen. Aber warum fragst du?«
»Mein früheres Ich wollte es wissen.«
»Du beherrschst die Geisteswanderung? Wie interessant ...«
»Nein.« Zoe unterdrückte ein Kichern. »Aber ich trug eine Maske unter der Maske. Wie du. Ich verhielt mich lange Zeit so, wie die Leute es von mir erwarteten.«
»Masken sind etwas Seltsames.«
»Sie schützen uns. Sie bewahren uns vor uns selbst.« Zoe nickte dem Prinzen zu und verließ dann den Raum durch dasselbe Tor, durch das sie gekommen war. Teufel flatterte vorneweg, und sie meinte die Eule zwinkern zu sehen, als letzter Abschiedsgruß des Prinzen.
Der Tag verging in bleierner Langsamkeit. Extevirra kaute mit ihr Texte und Schriften durch, deren Inhalte vor Dummheit nur so schrien. Am liebsten hätte Zoe der Fanatikerin jene Stadthistorie erzählt, wie sie sie vom Prinzen erfahren hatte, und über Maletorrex’ Rolle aufgeklärt. Doch die Frau hätte ihr kein Wort geglaubt.
Zu Mittag holte sie ein wenig Schlaf nach, und in den Dämmerstunden täuschte sie Schmerzen vor, die von der Maske herrührten, um sich so rasch wie möglich in ihre privaten Gemächer zurückziehen zu dürfen.
Lirla musterte sie zwar misstrauisch, sagte aber kein Wort. Die Frau, die das Aussehen der sterbenden Shire angenommen hatte, erweckte in Zoe noch mehr Widerwillen als zuvor. Wie konnte jemand bloß so verkommen und machtgierig gleichermaßen sein?
Sie schlüpfte ins Bett und schlief augenblicklich ein. Um nach gefühlten zehn Minuten von mehreren Schaben geweckt zu werden, die über ihre Oberschenkel krochen. Angewidert sprang Zoe auf, schlüpfte in ihr Schuhwerk und ließ sich von Teufel, der seltsam irritiert wirkte, über verschlungene Wege zu einem weiteren Zugang zu Laychams Herrschaftsbereich führen.
Der Prinz wartete bereits ungeduldig auf sie. Er trug die Maske und machte keine Anstalten, sie abzusetzen.
»Wie, stellst du dir vor, soll ich ohne Maletorrex’ Heilmittel überleben?«, empfing er sie. »Der Fleischbrand wird mich binnen weniger Wochen oder Monate auffressen.«
»Darüber sollten wir jetzt gleich reden. Ich wünsche dir übrigens auch einen schönen guten Abend, Prinz.«
»Wie bitte?«
»Dort, wo ich herkomme, gibt es so etwas wie Höflichkeitsformen.«
Entlang der Maskenränder im Gesicht war eine Art Rotfärbung zu erkennen. Schämt er sich denn wirklich für seinen Mangel an Höflichkeit? Das ist ja süß ...
»Verzeih mir,
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