Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
Sie hatte Verbindungen in alle Erdteile und wusste auch über Ereignisse Bescheid, die nie in den Nachrichten auftauchten. Er betrachtete sie als die beste Hüterin von Geheimnissen. Das war auch der Grund für seinen heutigen Besuch.
    Vom Fahrstuhl aus gelangte er direkt in ein fächerförmiges Wohnzimmer mit einer fantastischen Aussicht über den Hudson und den East River mit der Brooklyn Bridge. Unwillkürlich blieb sein Blick an diesem Panorama hängen. In einiger Entfernung konnte er sogar die Freiheitsstatue an der Einfahrt zum Hafen sehen und Ellis Island, wo im 19. und 20. Jahrhundert Unmengen von Einwanderern angekommen waren. Die großen Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten, glichen einer riesigen Postkarte, die eine der berühmtesten Stadtansichten der Welt zeigte.
    »John! Wie geht es dir?«
    Nathalie Johnson kam mit einem Tablett aus der Küche, auf dem eine Flasche Wein und zwei Gläser standen. Sie stellte das Tablett ab, und die beiden umarmten sich. Sie war etwa fünfzig Jahre alt und schlank; das dunkle rotbraune Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid. Trelawny hatte sie in all den Jahren nie in Jeans gesehen.
    »Wie schön, dass du hier bist«, fuhr sie fort. »Wie lange bleibst du in New York?«
    »Nur ein paar Tage.« Trelawny seufzte. Er war nie lange Zeit an einem Ort. »Ich muss zurück nach Washington, dann nach Virginia, und nächsten Monat geht es nach Kalifornien. In meiner Heimatstadt findet mir zu Ehren ein Festumzug statt.«
    »Auburn?«
     
    »Ja. An meinem Geburtstag. Die stellen für mich die ganze Stadt auf den Kopf.«
    »Das ist doch sehr nett! Vielleicht komme ich auch.« »Das würde mich freuen.«
    Sie setzten sich, und Nathalie schenkte Wein ein. Ein paar Minuten lang sprachen sie über den Wahlkampf, die Rede von Los Angeles und die letzten Verleumdungskampagnen, die im Fernsehen gelaufen waren. Doch nach einer Weile verstummte Trelawny.
    »Du wolltest mich doch etwas fragen«, sagte Nathalie. »Ja.« Er fuhr sich mit der Hand über den Mund, weil er nicht wusste, womit er anfangen sollte. »In Los Angeles ist etwas passiert«, sagte er. »So etwas habe ich noch nie erlebt, und ich bekomme es nicht aus dem Kopf. Ich muss mit jemandem darüber reden, und du bist die Einzige, die mich nicht für verrückt halten wird.«
    »Das fasse ich als Kompliment auf.«
    »Also, ich hatte Besuch von meiner ehemaligen Assistentin, einer Dame namens Alicia McGuire. Erinnerst du dich an sie?«
    »War das nicht die, deren Kind…?«
    »Ihr Sohn Daniel. Ja. Er ist Ende letzten Jahres spurlos verschwunden.«
    »Wie schrecklich für sie.« Nathalie Johnson war unverheiratet und hatte keine Kinder. Sie konnte sich nicht vorstellen, was diese Frau durchgemacht hatte.
    »Als ich in Los Angeles war, kam sie zu mir ins Hotel. Sie hatte Daniel nicht gefunden, aber sie hatte einen anderen Jungen bei sich, einen Vierzehnjährigen. Seinem Aussehen nach nehme ich an, dass er Indianer ist. Sie hat mir diese unglaubliche Geschichte erzählt, und normalerweise hätte ich kein Wort davon geglaubt. Ich hätte gedacht, dass sie den Verstand verloren hat. Doch dann hat sie mir etwas gezeigt, das eigentlich vollkommen unmöglich war.«
    »Was?«
    Trelawny berichtete von allem, was im Carlton Hotel geschehen war, von seiner Begegnung mit Jamie Tyler bis zu dem kleinen Holzkästchen. Wenn er erwartet hatte, dass Nathalie erstaunt oder ungläubig reagieren würde, wurde er enttäuscht. Sie zeigte keine Regung, abgesehen davon, dass sie das Gesicht verzog, als er Nightrise erwähnte, und verständnisvoll nickte, als er von deren Interesse an Kindern mit übersinnlichen Fähigkeiten erzählte.
    »Wo ist Jamie Tyler jetzt?«, fragte sie, als Trelawny ausgesprochen hatte.
    »Vielleicht habe ich die falsche Entscheidung getroffen«, antwortete Trelawny. »Aber er war so verzweifelt auf der Suche nach seinem Bruder, und da dachte ich, es wäre das Richtige.« Er hob die Hände. »Ich habe dafür gesorgt, dass er nach Silent Creek geschickt wurde.«
    »Er ist im Gefängnis?«
    »Nicht unter seinem eigenen Namen. Wir haben auch sein Aussehen verändert. Du darfst nicht vergessen, dass die Polizei von Nevada immer noch nach ihm fahndet.«
    »Eines muss ich wissen. Hat dieser Junge jemals England oder Peru erwähnt?« Als Trelawny nicht antwortete, fuhr sie fort. »Hat er etwas über die Alten gesagt? Oder die Torhüter?« »Nein.« Trelawny schüttelte den Kopf. »Ich habe keine

Weitere Kostenlose Bücher