Schattenmacht
Ahnung, wovon du sprichst, Nathalie. Die Alten? Wer ist das? Was haben die mit einem Haufen verschwundener Kinder zu tun?«
»Wenn ich mich nicht irre, haben sie alles damit zu tun«, antwortete Nathalie. »Und diese beiden Jungen – Scott und Jamie Tyler – haben keine Ahnung, wie wichtig sie möglicherweise sind. Sie sind beide in Silent Creek?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Jamie ist wahrscheinlich dort – zumindest ist er vor einer Woche hingeschickt worden, um herauszufinden, ob sein Bruder auch dort ist. So sah zumindest der Plan aus.«
Nathalie stellte ihr Glas ab und beugte sich vor.
»Hör mir zu«, sagte sie. »Du wolltest einen Rat von mir. Du bist zu mir gekommen, weil wir alte Freunde sind. Aber – das musst du zugeben – du bist auch gekommen, weil du weißt, dass ich Mitglied einer… Organisation bin.«
»Der Nexus«, sagte Trelawny und lächelte, als Nathalie erschrocken zurückfuhr. »Ich habe den Namen gehört«, gab er zu. »Ich weiß, dass es eine Art Geheimgesellschaft ist, aber ich habe schon immer vermutet, dass du etwas damit zu tun hast.«
Nathalie nickte langsam. »Du bist mit etwas in Berührung gekommen, von dem du nichts weißt«, sagte sie.
»Ich dagegen weiß eine ganze Menge darüber. Ich habe schon mein halbes Leben damit zu tun. Das bedeutet, dass du mir glauben musst, wenn ich dir sage, dass es ungeheuer wichtig ist, Jamie Tyler zu finden und ihn aus Silent Creek zu holen… und auch seinen Bruder, falls er noch dort ist.«
»Das dürfte leider nicht so einfach sein.«
»John, du wirst vielleicht der nächste Präsident dieses Landes. Aber wenn du nicht tust, was ich sage, ist es gut möglich, dass es kein Land mehr geben wird, dessen Präsident du sein kannst.«
»Was redest du da? Wer sind diese beiden Jungen?«
Nathalie Johnson holte tief Luft. »Du musst Folgendes tun…«
Los Angeles
Colton Banes saß an seinem Schreibtisch, als das Telefon klingelte.
Er hasste es, im Büro zu sitzen. Das erinnerte ihn zu sehr an das Gefängnis, in dem er elf Jahre verbracht hatte, bevor Nightrise ihn angeheuert hatte. Er wurde gut bezahlt, und natürlich konnte er jederzeit kündigen, wenn es ihm nicht mehr passte.
Aber drinnen herumzusitzen, einen Anzug zu tragen und darauf zu warten, dass man ihm sagte, was er tun sollte… das machte ihn nervös.
Trotzdem musste er zugeben, dass er noch nie einen besseren Job gehabt hatte. Wahrscheinlich gab es keinen anderen Job, der so gut zu seinen Neigungen passte. Colton Banes liebte es, Menschen wehzutun. Er tötete auch gern, aber ihnen wehzutun machte mehr Spaß, weil sie dann hinterher darüber reden und ihm erzählen konnten, wie es sich angefühlt hatte. Schon in der Schule hatte er Schwächere gequält, dann waren die ersten Straftaten gekommen, schließlich ein bewaffneter Raubüberfall, Gefängnis und schließlich dies… sein ganzes Leben hatte in eine bestimmte Richtung geführt. Ihm war klar, dass er eines Tages einen Fehler machen und dann von Mrs Mortlake genauso beiläufig entsorgt werden würde wie Kyle Hovey. Aber daran dachte er eigentlich nicht. Leute wie er wurden nie alt. Das war eben so.
Nach dem dritten Klingeln nahm er den Hörer ab. »Ja?« Er brauchte sich nicht mit seinem Namen zu melden. Die Zentrale hätte den Anruf nicht zu ihm durchgestellt, wenn der Anrufer nicht nach ihm gefragt hätte.
»Hier ist Max Koring.«
»Was gibt es?« Banes wusste sofort, dass er mit dem dienstältesten Aufseher von Silent Creek sprach. Er rief von dort aus an, das war leicht zu erkennen. In diesem Teil der MojaveWüste gab es keine Telefonleitungen, und der Empfang über Satellit war schlecht. Das Gefängnis war inmitten eines natürlichen Magnetfeldes gebaut worden, das die Kommunikation fast unmöglich machte. Das Magnetfeld hatte auch noch andere Auswirkungen. Der Ort war sehr sorgfältig gewählt worden. »Es gibt etwas, das Sie wissen sollten«, fuhr Koring fort. »Gestern ist etwas Merkwürdiges passiert. Einer der Jungen – ein Neuer – hat versucht, mich dazu zu bringen, ihn in den Block zu führen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er hat mich gebeten, ihn auf die andere Seite der Wand zu bringen. Genau genommen hat er mich nicht gebeten – er hat es mir befohlen. Er hat gesagt, er wollte zu seinem Bruder.« Banes Augen verengten sich. »Wie heißt der Junge?« »Der Name in den Akten lautet Jeremy Rabb.«
Damit konnte Banes nichts anfangen. »Beschreiben Sie mir, wie
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