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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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konnte er allerdings nicht spüren.
    Sie waren ungefähr zwei Stunden geritten, und abgesehen davon, dass sich einige der Bäume im Wind bogen, hatte Jamie keinerlei Bewegung gesehen. Sie hatten die Leichen zwar hinter sich gelassen, aber es schien auch sonst kein Leben zu geben: keine grasenden Kühe, nicht einmal Vögel in der Luft. Er hatte tausend Fragen, aber ihm war klar, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war, sie zu stellen. Scar ritt immer noch voraus, und Finn war neben ihr. Jamie fragte sich, ob sie von ihm enttäuscht war. Sie war gekommen, um jemanden namens Sapling abzuholen, und hatte stattdessen ihn gefunden. Aber sie hatte ihn trotzdem akzeptiert und mitgenommen. Sie wollte ihn zu Scott bringen, den sie als Flint kannte. Sapling und Flint. Was hatte das zu bedeuten? Er wünschte, sie hätte ihm mehr erzählt, bevor sie aufgebrochen waren.
    Der Pfad führte abwärts in eine Senke mit einem zäh dahinfließenden Fluss. Das Wasser sah schmutzig und unappetitlich aus, aber Jamie hatte plötzlich Durst.
    »Scar…«, rief er.
    Sie drehte sich zu ihm um. »Was ist?« Sehr erfreut klang sie nicht.
    »Können wir eine Pause machen und etwas trinken?«
    »Das Wasser ist vergiftet«, sagte sie, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, und Jamie erkannte, dass Sapling niemals eine so dumme Frage gestellt hätte. Sapling hätte es gewusst.
    Finn, der neben Scar ritt, hatte Mitleid mit ihm. Der große Mann trug eine Wasserflasche am Gürtel, die er nun mit einem mürrischen Blick auf Scar abnahm. »Hier ist Wasser«, sagte er und hielt es Jamie hin. Er ritt vor, um den Wasserbehälter entgegenzunehmen, der aus Tierhaut bestand.
    Jamie wollte gerade den ersten Schluck trinken, als Finn erstarrte. Er hatte etwas gehört, aber vielleicht besaß er auch übersinnliche Fähigkeiten, denn Jamie nahm nichts weiter wahr als das Glucksen des Flusses und das leise Flüstern des Windes. »Runter!«, zischte Finn. »Keinen Laut!«
    Scar war schon von ihrem Pferd geglitten. Sie hatte sich bereits bewegt, bevor Finn gesprochen hatte, was bedeutete, dass sie ebenso wachsam war wie er. Finn und die beiden Brüder machten es ihr nach und zogen die Pferde mit sich auf den Boden. Jamie stellte erstaunt fest, dass ihre Reiter ihnen beigebracht hatten, sich flach hinzulegen. Er machte es den anderen nach, sprang ab und zog dann am Zügel, um das Pferd hinzulegen. Es sank in sich zusammen, als wäre es tot. Finn streckte eine Hand aus und legte sie dem Pferd beruhigend auf die Flanke. Keiner von ihnen rührte sich.
    Sehr langsam wandte Jamie den Kopf, weil er wissen wollte, was los war. Vor sich sah er Finns Gesicht, der ihn mit einem Weiten der Augen ermahnte, sich nicht zu bewegen. Nirgendwo rührte sich etwas. Keine Gefahr in Sicht. Er fragte sich, wovor seine Begleiter solche Angst hatten.
    Dann sah er es.
    Im ersten Moment glaubte er, eine Rauchsäule von einem Lagerfeuer zu sehen, aber es gab kein Feuer, und außerdem stieg die Rauchwolke nicht auf, sondern ab. Sie strömte vom Himmel in Richtung Erde. Erst da begriff Jamie, was es war. Ein Insektenschwarm… Käfer oder Fliegen vielleicht. Sie waren schwarz, und es mussten Millionen sein, die vom Himmel kamen, als hätte sie jemand aus einem riesigen Glasbehälter ausgeschüttet. Jetzt hörte Jamie auch das Summen ihrer winzigen Flügel, die so schnell schlugen, dass es kaum zu sehen war.
    Was wollten die Viecher? Was hatte sie hergelockt? Eine Minute später erkannte er voller Unglauben und Entsetzen, warum Scar sie so zur Eile angetrieben hatte.
    Als die Insekten den Boden erreichten, löste sich die Rauchsäule auf. Einen kurzen Augenblick bildeten sie einen schwarzen Nebel. Doch dann formierten sie sich neu. Jamie musste feststellen, dass aus ihnen zehn berittene Krieger geworden waren – aber die Krieger und ihre Pferde bestanden vollständig aus Fliegen. Er fragte sich, was passieren würde, wenn man mit einem Schwert auf sie losging. Wahrscheinlich würde die Klinge glatt durch sie hindurchgehen. Und wenn sie ihn angriffen? Würde ihn ein Schwert aus Fliegen verletzen, oder würden sie sich wieder auflösen und ihn mit ihrer Waffe zu Tode stechen? Er wollte es gar nicht wissen.
    Der Anführer der Fliegensoldaten hob eine Hand, um seine Gefolgsleute zu stoppen. Er musste gespürt haben, dass die Feinde in der Nähe waren. Sein Kopf drehte sich langsam in ihre Richtung, und seine schwarzen Augen suchten die Gegend ab. Die anderen Soldaten rührten sich nicht. Sie

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