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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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nichts. Sie befanden sich in einem runden Raum – Jamie musste an ein Zirkuszelt denken –, umgeben von einer etwa fünfzehn Meter hohen Steinmauer. Einst waren die Wände mit Fresken geschmückt gewesen; merkwürdige Symbole und Bilder von Vögeln und anderen Tieren. Sie waren jedoch so abgenutzt, dass sie kaum noch zu erkennen waren. Vielleicht hatte man sie aber auch absichtlich entfernt.
    Jamie hatte endlich Gelegenheit gehabt, sich zu waschen – mit Wasser aus einem Brunnen. Privatsphäre kannten diese Leute offenbar nicht, und es war Jamie peinlich gewesen, sich auszuziehen, vor allem vor Scar. Glücklicherweise war sie eine Zeit lang verschwunden gewesen, und von den Männern hatte keiner auch nur einen Blick in seine Richtung geworfen. Das Wasser war schon schlammig gewesen, bevor er hineinsteigen konnte, aber er war trotzdem dankbar für die Gelegenheit, den Schmutz abzuwaschen. Es gab keine Handtücher, also hatte er seine Hose wieder angezogen und sich zum Trocknen ans Feuer gesetzt.
    Danach hatten sie ihm etwas zu essen gegeben. Corian hatte irgendwelches Fleisch über dem Feuer zubereitet. Es schmeckte wie Huhn, aber es war zäher und schwerer zu kauen. Jamie hatte keine Ahnung, was es war, fragte aber lieber nicht nach. Dazu hatte es Bohnen und sehr feste Brotstücke gegeben. Außerdem hatte er eine Schale mit einer dampfenden Flüssigkeit bekommen. Sie schmeckte süß und bitter zugleich, und Scar – die rechtzeitig zum Essen wieder aufgetaucht war – hatte ihm erklärt, dass sie aus Eicheln und Honig gemacht wurde. Jamie war froh, etwas Warmes in den Händen zu halten, und fühlte sich gleich viel besser.
    Jetzt redeten sie. Die beiden Brüder saßen an einer Wand, Schulter an Schulter, und streckten die Beine von sich. Finn hockte auf den Überresten einer abgebrochenen Säule und benagte einen Knochen. Seine Finger waren mit Fett verschmiert. Scar und Jamie saßen im Schneidersitz am Feuer. Als sie sprach, konnte Jamie die Reflektion der Flammen in ihren Augen tanzen sehen.
    »Finn hat mir oft erzählt, dass die Welt nicht immer so war«, fuhr sie fort. »Vor langer Zeit gab es keine Gestaltwechsler, Fliegensoldaten, Herrscher, Feuerreiter und all die anderen. Aber ich kenne es nur so, also frag mich nicht nach einer Geschichtsstunde. Meine Mutter und meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Als ich geboren wurde, ging es den meisten so. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass mich alle möglichen Leute herumgetragen haben. Immer wenn ich mich gerade an jemanden gewöhnt hatte, wurde er umgebracht, und jemand anders trat an seine Stelle. Darüber hinaus war ständig alles zerstört, wie diese Stadt. Ich glaube, ich habe nie länger als ein paar Tage in einem Haus gelebt, bevor es niedergerissen oder angezündet wurde.« Sie hob ihre Schale, als wollte sie einen Toast aussprechen. »Willkommen am Ende der Welt, Jamie. Denn das ist es, wo du gelandet bist.«
    »Du hast mich Jamie genannt.« Jamie wusste nicht, wie er seine Gedanken sortieren sollte. Es gab so vieles, das er begreifen musste. »Bisher hast du doch immer behauptet, mein Name wäre Sapling.« Er warf einen Blick in Richtung Tempelvorplatz. »Die haben mich auch alle Sapling genannt.«
    »Es hat keinen Sinn, dich Sapling zu nennen«, antwortete Scar. »Weil du es nicht bist, auch wenn du genauso aussiehst und die Leute glauben, du wärst es.« Sie deutete nach draußen. »Ich vermute, dass du ziemlich verwirrt bist.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Das geht mir genauso. Ich hoffe nur, dass Matt uns das alles irgendwann erklärt. Allerdings hat er die ärgerliche Angewohnheit, einem nie vernünftige Antworten zu geben.«
    »Du hast Matt vorhin schon erwähnt«, sagte Jamie. »Wer ist das?«
    »Matt ist unser Anführer. Der erste der Fünf. Er ist derjenige, der verstehen sollte, was hier vorgeht.«
    Die Fünf. Im Gefängnis hatte Joe Feather zu ihm gesagt, er wäre einer der Fünf. Hatte er etwas über diese Welt und das, was hier passiert war, gewusst?
    »Erzähl mir von Matt«, bat Jamie. Er stellte sich jemanden wie Finn vor; grauhaarig und voller Narben aus irgendwelchen Schlachten. »Ist er alt?«
    Scar lachte. »Nein. Er ist genauso alt wie wir. Weißt du wirklich nicht, wer wir sind? Du und Flint und ich und Inti und Matt?«
    »Flint ist mein Zwillingsbruder.«
    »Ja.«
    »Dann ist er Scott. Ich war auf der Suche nach ihm, als ich angeschossen wurde. Und so bin ich hier gelandet.« Für Jamie ergab das immer noch keinen

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