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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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runder Tempel – es konnte nichts anderes sein –, dessen kuppelförmiges Dach von weißen Säulen getragen wurde. Rechts und links des Platzes verliefen Reihen von Bögen. Sie waren ein Teil der städtischen Wasserversorgung gewesen, aber mittlerweile gab es kein Wasser mehr, das in die Stadt geleitet werden konnte. Auf beiden Seiten des Tempels befand sich ein Brunnen, und auch die Blumenbeete hatten sicher einmal dafür gesorgt, dass dies ein hübscher Ort war. Aber jetzt war alles zerstört. Einige der Säulen waren zerschlagen worden, im Dach des Tempels klafften riesige Löcher, die Brunnen waren trocken, und große Krater ließen darauf schließen, dass der Ort aus der Luft bombardiert worden war.
    Scar hob eine Hand und ließ ihr Pferd anhalten. Alle vier stoppten. Sie sah Jamie an.
    »Kein Wort von dir«, warnte sie ihn. »Spiel einfach deine Rolle. Das ist sehr wichtig.«
    Am liebsten hätte Jamie ihr gehörig die Meinung gesagt. Er war vollkommen erledigt von dem langen Ritt. Seine Kehle war wie ausgedörrt, und er stank nach Schweiß, und eigentlich hatte er es satt, herumkommandiert zu werden. Trotzdem nickte er nur und zwang sich zur Ruhe.
    Leute waren aufgetaucht und kamen langsam auf sie zu. Erst war es nur eine Handvoll – vier oder fünf hier, ein paar andere da. Aber dann kamen immer mehr und umringten sie von allen Seiten. Sie waren alle sehr ähnlich gekleidet: lange Jacken, Kapuzen und Ledergürtel. Einige der Frauen trugen allerdings lange bestickte Mäntel mit weiten Ärmeln. Viele hatten gebogene Säbel und runde Schilde mit einer Spitze dabei. Sie waren unterschiedlichen Alters, einige noch sehr jung, vielleicht elf oder zwölf. Schon bald waren es mehr als hundert, die auf den Platz kamen, ohne ein Wort zu sagen. Keiner von ihnen schien sich über ihre Ankunft zu freuen. Sie bewegten sich langsam, und ihre Gesichter waren müde. Jamie fand, dass es keinen Sinn mehr hatte, sich auf eine Schlacht vorzubereiten. Diese Leute waren bereits geschlagen.
    Aber als sie näher kamen, ging eine erstaunliche Veränderung in ihnen vor. Es war fast, als hätte jemand einen Zauberstab geschwenkt. Sie hatten etwas gesehen, was sie nicht glauben konnten. Ein Gefühl der Aufregung machte sich breit, das las Jamie an ihren Gesichtern ab. Mit jedem Schritt schienen ihre Lebensgeister zurückzukehren. Sie starrten etwas an, zunächst schockiert und voller Staunen, doch dann lächelten sie sogar. Einige von ihnen hoben grüßend die Hand. Erst jetzt begriff Jamie, was sie gesehen hatten.
    Ihn.
    Scar richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Glaubt ihr mir jetzt?«, rief sie. »Wir haben euch die Wahrheit gesagt. Er ist hier. Wir haben ihn gefunden.«
    »Sapling!«, jubelte jemand.
    Plötzlich jubelte die ganze Menschenmenge. Schwerter wurden gehoben, wie aus dem Nichts tauchten Banner auf, und die blauen, fünfzackigen Sterne flatterten im Wind. Alle stürzten vorwärts, denn jeder wollte der Erste bei ihm sein. Die Kinder standen vorn, und die Erwachsenen sahen ihn von weiter hinten hoffnungsvoll an. Jetzt war Jamie Scar dankbar. Er hatte keine Ahnung, was hier los war, aber sie hatte ihm gesagt, was er tun sollte. Spiel deine Rolle. Erklärungen kamen später. Er hob eine Hand, und der Jubel wurde lauter. Er hallte zwischen den Ruinen, und es war fast, als wäre die Stadt wieder zum Leben erweckt, als wäre die alte Lebensfreude in ihre Straßen zurückgekehrt.
    Scar trieb ihr Pferd an, und sie bahnten sich einen Weg durch die Menschenmenge. Vor dem runden Tempel saßen sie ab und gingen hinein. Die jubelnden Leute folgten ihnen bis an die Säulen, doch dort blieben sie stehen, als gäbe es hier eine unsichtbare Linie, die sie nicht überschreiten durften. Jamie und seine vier Begleiter waren wieder unter sich, aber er hörte immer noch die Leute auf dem Platz, die einen Namen – seinen Namen – riefen. Sapling.
     
    »Krieg ist alles, was ich je kennengelernt habe«, sagte Scar.
    Sie hatten ein Feuer entzündet. In der zerstörten Stadt gab es genügend Holz, und Finn, Erin und Corian hatten es so hoch aufgetürmt, dass es fast wie ein Scheiterhaufen aussah. Jamie befürchtete, dass es den Feind anlocken könnte. Vielleicht würden die Fliegensoldaten wiederkommen. Scar versicherte ihm, dass ihnen keine Gefahr drohte. Die Außenwände würden das meiste des Feuerscheins abhalten, und es war dunkel genug, um den Rauch zu verbergen, der durch ein Loch in der Decke abzog.
    Im Innern des Tempels war

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