Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
gedacht war. All die Spielsachen – er wird sie nie anschauen, nicht mit seinen Händchen betasten können. Er wird nie Mama und Papa sagen.«
Martin rutschte von der Bettkante und kniete sich neben sie. Dicht an ihrer Schulter versicherte er ihr: »Wir werden ein Kind haben, das verspreche ich dir.«
Brüsk schob sie ihn von sich weg. Ihre Stimme wurde lauter, als sie beabsichtigt hatte. »Versprich mir nie wieder etwas, was du nicht halten kannst. Ich liege hier, weil du dein Versprechen nicht gehalten hast.«
Martin stand auf und blickte auf sie herab. »Das ist nicht fair. Du bist nicht wegen mir hier. Du bist hier, weil es da draußen eine Menge kranker Schweine gibt, die weggesperrt gehören. Die Welt ist schlecht, Catherine, und ich will sie mit meinem Job ein bisschen besser machen.« Martin setzte sich auf den Besucherstuhl. Müde fügte er hinzu: »Dass du mir das vorwirfst … Ich liebe dich doch, du bist doch nicht meinetwegen hier. Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich so siehst.«
»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll oder nicht. Ich bin vierzig, Martin. Dieses Kind war bereits ein kleines Wunder. Ich werde keine neue Chance bekommen. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir uns für eine Weile trennen.« Catherine drehte den Kopf zur Seite. Sie lebte, doch was würde sie dafür geben, ihr Leben gegen das ihres Kindes einzutauschen. Ein gelebtes Leben gegen ein ungelebtes.
Martin schüttelte den Kopf. »Nein, ich will nicht, dass du gehst. Tu mir das nicht an. Sag, was ich machen soll, damit du bleibst. Egal, was es ist, sag es mir einfach.«
»Du kannst nichts tun, Martin. Du bist, wie du bist. Es ist vorbei. Ich brauche einen Neuanfang, ich geh fort aus Lüneburg.«
Martin erhob sich und sah in die tränenerfüllten Augen seiner Verlobten, seiner Ex-Verlobten. Dann nahm sie den Ring vom Finger und gab ihn Martin zurück. Er fühlte das warme Metall und ließ es wortlos in die Jeanstasche gleiten.
Ohne ein weiteres Wort schlich er aus dem Zimmer, der Station und dem Krankenhaus. Er sah seinen Wagen auf dem Parkplatz und eine Kneipe auf der anderen Straßenseite. Es war erst Mittag, einen Augenblick lang erwog Martin, sich maßlos zu betrinken, bevor er, mit was auch immer, weitermachen konnte. Er steuerte auf seinen Wagen zu, stieg ein und fuhr nach Hause. Nun erst bemerkte er, dass er am Rande seiner Kräfte war und alles in ihm sich nach Schlaf sehnte. Eine Stunde würde nicht schaden, meinte er. Danach würde er einen klaren Kopf haben, könnte entscheiden, was zu tun sei.
Er legte sich auf das Bett und schlief binnen Sekunden ein. Ein Schlaf, der nichts zum Besseren wenden sollte.
Kapitel 29
Juni 2011, Hamburg
Renate Lohmeyer wischte sich mit einem feinen Taschentuch die Augen trocken. Die Anteilnahme am Tod ihres Mannes war überwältigend gewesen. Viele Hunderte Menschen waren gekommen. Das Wachbataillon der Bundeswehr hatte ihm zu Ehren ein großes Ehrengeleit samt Musikkorps, Truppenfahne und Totenwache durch Generale und Admirale bereitgestellt. Renate Lohmeyer hielt durch, ließ sämtliche Reden über sich ergehen. Sie hörte kein schlechtes Wort über ihren Mann, aber auch kein nützliches, was diesen sinnlosen Tod hätte leichter machen können. Kein Wort darüber, wer seinen Dienstwagen in die Luft gejagt hatte. Mutmaßungen wurden angedeutet und doch ging alles hochdiplomatisch zu. Die Presse und das Fernsehen waren zugegen und ihr Gesicht wurde mehrfach in den Zoom der Kameras gesaugt. Trauernd saß sie da, paralysiert und doch gemäß eines Verhaltenskodexes überlegen und Würde ausstrahlend. Das, was von ihrem Mann übriggeblieben war, hatte man in den Sarg gelegt, keine leichte Aufgabe für den Bestatter.
Was jedoch niemand sehen und ahnen konnte, war das, was sich in ihrem Kopf abspielte. Neben dem Hass auf die Attentäter und dem Unverständnis für deren Motive grübelte sie über einige wenige Worte nach, die sie Stunden zuvor von einem ihr unbekannten Kommissar durch das Telefon entgegengenommen hatte. Über den Tod ihres Mannes maßlos erschüttert, gingen ihr die Worte des Polizeibeamten nach, der sein eigenes Kind, wenn auch noch ungeboren, durch ein Attentat verloren hatte. Sie liebte Kinder, ihre eigenen vor allem, die in diesen Tagen ihr einziger Halt waren. Er hatte ihr seine Handynummer gegeben, die sie mitgeschrieben hatte, obwohl sie ihm durch den Hörer unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie an einem Gespräch keinerlei Interesse
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