Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
mir was von ihrem Mann geben.«
»Unterlagen?«
»Was weiß ich. Sie wird überwacht, Werner. Deshalb hat sie so komisch geredet heute Morgen. Die hat tausend Wanzen im Haus.«
»Okay. Wann und wo?«
»Um elf in der Kunsthalle.«
»Alles klar. Wir treffen uns eine halbe Stunde eher. Es gibt ein kleines Bistro in der Kunsthalle. Ich schnapp mir ein Prospekt von den Exponaten, seh’ mir die Bilder an und trinke einen Kaffee.«
»Ja gut.«
»Und noch was, Martin. Gestern kam Schöller in mein Büro und fragte mich nach dir aus. Ein scheinheiliges Arschloch, der Typ. Wie es dir geht, was du so machst, ob du gut klarkommst in Salzhausen. Wenn du mich fragst, solltest du nicht mit deinem Wagen fahren. Nimm die U-Bahn, wechsle die Züge, geh zu Fuß oder tue sonst irgendetwas, doch lass nicht zu, dass man dir folgt. Wenn Schöller erfährt, dass du dich mit der Witwe von Lohmeyer triffst, sind wir beide fällig, das sag ich dir.«
»Danke für den Tipp. Ich kriege eh bald eine Paranoia. Dieses ganze Zeug von Verschwörungen und grenzenloser Überwachung. Das raubt mir die Luft zum Atmen. Und dann noch die Sache mit Catherine und dem Kind …«
»Okay, ich kann jetzt nicht länger reden. Wir haben in fünf Minuten ein Meeting. Dann bis morgen um halb elf.«
Martin beendete das Gespräch mit einem herben Geschmack von Leere in seinem Inneren. Er sah auf die Uhr und tätigte einen letzten Anruf auf dem Revier in Salzhausen. Der diensthabende Kollege berichtete von einem ruhigen und ereignislosen Tag. Er fragte nicht, was Martin am Nachmittag getrieben hatte und ob er am nächsten Vormittag wieder kommen würde. Martin erzählte ihm, dass er die nächsten Tage wegen Ermittlungen außer Haus sei. Dinge von übergeordneter Brisanz, von Hamburg aus in die Wege geleitet. Mehr brauchte der junge Bursche nicht zu wissen.
Den Abend über spähte Martin das Internet über alles aus, was mit dem Mord an Lohmeyer zu tun hatte. Er las sämtliche Zeitungsberichte, lud alle am Tatort geschossenen und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Fotos herunter und vergrößerte sie, um eventuellen Ungereimtheiten auf die Spur zu kommen. Selbst wenn die Kripo der Bevölkerung weismachen wollte, dass Verteidigungsminister Lohmeyer Opfer eines terroristischen Anschlags geworden war, so konnte man diese Aussage weder mit einem Bekennerschreiben noch mit verwertbaren am Ort gefundenen Spuren stützen. Fakt war, dass die Suche bisher ergebnislos verlaufen war. Schöller lungerte wie eine Hyäne im Präsidium herum und ließ sich zweimal täglich die Ergebnisse vorlegen. Welche Rolle er in diesem Spiel spielte, wurde nur hinter vorgehaltener Hand gemunkelt. Wie Werner ihm mitteilte, war Schöller launisch, ungerecht und reagierte cholerisch – man schrieb es dem jüngsten Verlust seines Sohnes zu.
Gegen neun Uhr am Abend telefonierte Martin noch einmal mit Catherine. Es war eher ein Monolog als ein Dialog, die meiste Zeit über sprach er. Catherine antwortete einsilbig und kühl. Martin versuchte, ihr Herz zu erreichen, doch diese Frau war nicht mehr die Frau, die er kennengelernt hatte: warmherzig und mild, stets zu einem Spaß aufgelegt und ihm zugewandt. Diese Catherine war verbittert, vom Leben enttäuscht und hatte mit mehr Dingen abgeschlossen, als es gut für sie beide war.
Um elf Uhr ging Martin zu Bett und erhoffte sich, am nächsten Tag einige entscheidende Schritte weiterzukommen. Selbst wenn die privaten Dinge gar nicht gut liefen, musste er dennoch seinen Job machen. Sobald er Licht in die Fälle Lohmeyer und Klaus Schöller gebracht hätte, würde sich auch sein Privatleben klären. Catherine würde einsehen, dass es nicht seine Schuld gewesen war, dass man bei ihnen eingebrochen hatte. Und überhaupt konnte sie ihm nicht anlasten, dass sie gestürzt war und ihr Kind verloren hatte. Warum um alles in der Welt sollte immer er für alles die Schuld tragen? Mit diesen Gedanken schlief er ein, neben sich das unbenutzte kalte Bett seiner Verlobten, deren Ring sich noch immer in seiner Jeanstasche befand.
Kapitel 30
Juni 2011, Hamburg
Pünktlich um halb elf trafen sich Martin und Werner im Bistro der Kunsthalle. Martin war mit dem Wagen von Lüneburg nach Hamburg gefahren und hatte ihn in der Nähe seiner alten Wohnung in Eimsbüttel abgestellt. Bis hierher hatte er nicht den Eindruck gehabt, verfolgt worden zu sein, doch so genau konnte er es nicht einschätzen. Er war kurz hoch in seine Wohnung gegangen, hatte
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