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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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Freund – für Martin geworden. Martin, er war mit diesem Kerl unterwegs. »Mein Gott!«, entwich es Werner laut.
    Zitternd kramte er sein Telefon hervor, es fiel auf den Boden, er hob es auf, suchte auf dem Display Martins neue Nummer von dem Handy, dessen Ortung unmöglich war, und ließ die Nummer wählen. Es schellte zweimal, fünfmal, siebenmal, zehnmal. Nichts. Martin nahm nicht ab. Warum nicht? Was war mit ihm geschehen? Tot, enthauptet, chloriert und konserviert, für eine weitere Rolle im Leben des multiplen Gollums vorgesehen?
    Werners Fantasie spielte ihm einen Streich. Wahnvorstellungen hatten ihn erfasst und ließen ihn zu Boden sinken. Er kniete auf dem Beton vor dem Haus, ließ sich zur Seite fallen und rollte sich auf den Rücken herum. Neben ihm sprossen gelbe Löwenzahnblüten aus den Ritzen. Unkraut, das sich einen Weg zum Himmel bahnte, in den er blickte. Er atmete schnell, zu schnell, hyperventilierte. Über sich ein wunderschönes Blau, ein ungewöhnlich tiefes Blau für Hamburg, wie er fand, das ihm immer näher kam, als flöge er hinauf und nicht hinab in die Hölle. Er lächelte. Möwen segelten an ihm vorbei, kreischten ihn an, verhöhnten ihn, spielten mit dem Aufwind, in dem er sich auch befand, eins mit ihnen auf dem Weg nach oben. Vormals kleine Wolken wurden größer, er tauchte in sie ein, sie umhüllten ihn, ließen ihn in einen flauschigen, narkoseähnlichen Schlaf gleiten. Die Notbremse für das Gehirn, da es nicht wusste, wie es die rasante Fahrt ohne Bremsen stoppen sollte. Schlaf, Bewusstlosigkeit, Unschuld, Leben.
    Wie lange Werner dort gelegen hatte, war in den Tagen danach und auch sonst nicht mehr nachvollziehbar gewesen. Minuten? Stunden? So lange, wie sein Gehirn brauchte, um wieder normal arbeiten zu können und nicht verrückt zu werden. Verrückt wie Frank Reichstein alias Jerome Dutroit und die vielen anderen. Erwacht, fragte er sich, wo er sei und warum. Wer war er und wie viele? Nein, er war nur einer, gottlob, nur er allein, nicht viele.
    Dann schellte sein Telefon. Er erkannte die Nummer, nahm an und wartete nicht.
    Er schrie ins Telefon: »Martin, ganz gleich, was du tust, du musst weg von diesem Jerome. Er ist ein Killer. Ich war in seinem Haus, er hat sechs Menschen getötet und sie … enthauptet. Ihnen die Finger abgeschnitten.« Werner hielt das Handy weg und würgte. Dann sprach er weiter.
    »Er ist gefährlich, Martin.« Die Worte klangen wie ein Flehen.
    »Ich weiß, Werner.« Martins Stimme klang gehetzt, abgehackt, im Hintergrund lautes Rauschen. Er saß im Auto und fuhr mit hoher Geschwindigkeit. »Er ist abgehauen, ist seit einer halben Stunde auf dem Weg, ich folge ihm. Schätze, er fährt nach Hause. Man hat Schöller verhaftet, ich hab sein Geständnis auf Band. Von Hagenreuther hat seine Verhaftung veranlasst. Riesenaufstand hier. Wo bist du eigentlich?«
    »Ich bin noch auf dem Gelände von diesem Scheiß-Grasbrook.« Werner begann zu schluchzen. »Es war so furchtbar, Martin, er hat Klaus umgebracht. In einem Chlortank ertränkt oder so. Er konserviert die Leichen damit, die Köpfe.« Werner wandte sich ab und würgte erneut. Dünne Galle ätzte die Kehle, es brannte wie schlechter Whiskey.
    »Bleib, wo du bist. Ich bin gleich bei dir. Unternimm nichts ohne mich. Hast du deine Waffe?«
    »Ja, hab ich.«
    »Jerome hat meine Waffe geklaut. Warte, bis ich komme, hörst du mich?«
    Wie durch feinen, zarten Nebel hindurch hörte Werner seinen Freund rufen, doch Letztgesagtes hatte er nicht mehr verstanden. Die Sinne schwanden erneut, der Kreislauf versagte, der Puls sackte ins Bodenlose. Werner antwortete nicht, das Handy polterte zu Boden.

Kapitel 47
    Juli 2011, Hamburg

    Jerome durchbrach die Absperrung und raste in Richtung der Autobahn. Sein Ziel war seine Wohnung, seine Behausung im fünften Stock des abbruchreifen Hauses an der Elbe. Es gab noch etwas zu erledigen, bevor er die Bühne mit einer Verneigung, vermutlich ohne Applaus verlassen musste.
    Die gepanzerte Limousine fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit auf das Gelände des Kleinen Grasbrooks. Hinter ihm, im Abstand von einem oder zwei Kilometern, drei Polizeiwagen, die Jerome in selbstmörderischem Tempo durch die Stadt abgehängt hatte. Ein kleiner Vorsprung, der ausreichte, um zu vollenden, was er begonnen hatte.
    Er rannte zum hinteren Teil des Hauses und erblickte im Augenwinkel einen Mann auf dem Boden liegen. Der Mann rührte sich nicht, neben ihm lag ein Handy. Feine

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