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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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defekten Maschine, die er dort unten vermutete. Auch der Duft wurde strenger, fordernder, ammoniakähnlicher. Riss ihn mit sich in die Tiefe des modernden Hauses, in die Katakomben. Die letzte Stufe war erreicht, er zog ein Taschentuch aus der Jacke hervor und hielt es sich vor die Nase. Die Waffe steckte er in den Halfter zurück. Er war allein und jeden Ankömmling hätte er gehört. Dann wäre es immer noch Zeit gewesen, sie zu ziehen. Mit der linken Hand und dem Tuch vor der Nase, nahm er nun die rechte zum Suchen, zum Stützen und Ertasten. Er ging in einen Flur von beträchtlicher Weite. Er rief ein HALLO, es echote von den Wänden. Von Ferne bemerkte er zu seiner Überraschung ein rotes, blinkendes Licht. Ein LED-Lämpchen, wie sonderbar. Wie konnte es ohne Strom …?
    Von diesem Licht angezogen, schritt er voran. Der Boden, den er durch das Leder seiner Sohlen ertastete, war eben, dem Klang nach glatte Fliesen wie in einem Sanitärraum, einer Schwimmhalle oder Ähnlichem. Auch den Geruch assoziierte er mit öffentlichem Schwimmen, nicht ganz so klar und eindeutig, eher verwaschen, vermischt mit anderen Essenzen, die die Identifizierung erschwerten. Das Licht kam näher, es blinkte. Er hatte am Ende des Flures einen metallenen Kasten von der Größe etwa sechzig mal vierzig erreicht, dessen Umrisse er allein durch das rhythmische Blinken erfasste. Mit dem Kopf neigte er sich zu dem Lämpchen, ein Schriftzug prangte darunter. ›DEFEKT‹, las er.
    Werner richtete sich wieder auf und stutzte. Wie konnte eine Maschine einen Defekt anzeigen, wenn sie keinen Strom hatte? Das machte keinen Sinn. Ein Notstromaggregat vielleicht, … DEFEKT. Eine Batterie, langlebig wie der Kasten selbst, die allein die Funktion hatte, das Ableben der Maschine kundzutun? Welch ein Unsinn. Aber welcher Maschine? Was gab es hier noch? Woher dieser Geruch?
    Das Bullen-Gen trieb Werner an weiterzusuchen. Vermutlich musste jeder Ermittler dieses Gen besitzen, jeder andere wäre längst geflohen aus dieser Höhle der olfaktorischen Ungereimtheiten.
    Er wandte sich nach links, das rote Licht blinkte unaufhörlich. An, aus, an, aus. Bei ›an‹ sah er Wände, Zargen, Türen. Er tastete sich voran und blieb vor einer Tür stehen. Im roten Licht erschien ein Schild, verblichene schwarze Schrift auf Alugrund. › BETRETEN VERBOTEN GEFAHR‹.
    Genau das Richtige, was Werner zusätzlich noch gebrauchen konnte: Gefahr. Er drückte die Klinke herunter und presste das Taschentuch vor seine Nase. Durch jede Ritze zwischen den Baumwollfasern drang ein bestialischer Gestank in sein Gehirn vor, dass es schmerzte, so als würde er einen tiefen Atemzug über einer geöffneten Flasche Gift nehmen. Ein Schmerz, der im Vorderhirn begann und nach hinten durchzog, der einen Fluchtreflex auslösen sollte.
    Funktionierte sonst bei jedem, nur nicht bei Schnüfflern.
    Werner stieß an etwas mit dem Schuh an, wankte zurück, fiel beinahe und kam mit dem rechten Ellenbogen an einen Schalter … für Licht. Seit über einer Stunde an die Dunkelheit gewöhnt, wurde er plötzlich gepeinigt mit Licht, nach dem er sich gesehnt hatte, und jetzt hatte er es. Heller Schein aus flackernden Neonröhren, klackernde Starter, die ihre Quanten herauskotzten. Doch jetzt wollte er es nicht mehr. Er sah Dinge, die er ums Verrecken nicht sehen wollte. Bitte, macht das Licht wieder aus. Gebt mir meine Dunkelheit zurück, flehte er.
    Er schloss die Augen, nur kurz. Er öffnete sie wieder. Dafür war er hergekommen.
    Kaum dass er die Augen geöffnet hatte, ergoss sich ein Schwall galledurchsetzten Mageninhalts auf den Boden neben sich. Es spritzte auf seine Schuhe und an die Hose. Angewidert wich er zurück, übergab sich ein weiteres Mal.
    Vor seinen Augen öffnete sich eine Grube, fünf mal fünf Meter im Quadrat. Locker geschichtete Erde, aufgebrochene Fliesen und Beton, mit Spitzhacke bearbeiteter harter Boden. Sechs ausgehobene Gräber, akkurat nebeneinander; verwesende Leichen, nur unzureichend mit Erde berieselt. Neben der Grube stand ein großer Tank, orangefarben, mit einer Öffnung in Brusthöhe. Fiebernd und traumatisiert suchte er den Tank ab und fand abermals Schilder, die unleserlich waren, bis auf einen Hinweis, der zumindest den anderen Teil der Geruchskomposition erklärte. Ein Tank, der eine Zuleitung aus einer dahinterliegenden Chlorierungsanlage bezog, aus jener defekten, gurgelnden und blubbernden Maschine, die er bis nach oben ins Erdgeschoss wahrgenommen

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