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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Notizblock mit einem Stift aus ihrer Tasche und reichte ihn mir. „Am besten, du zeichnest es mir auf. Würdest du das tun? Links, rechts und wieder links, ich bin immer zu blöd, mir mündliche Beschreibungen auch nur im Ansatz zu merken.“
    Ich nahm den Notizblock, legte ihn an den Türrahmen und malte ihr den Weg zum Absturz auf, während sich auf einmal ein ungutes Gefühl in mir breitmachte. Eigentlich wollte ich Charlie nicht zu Tom schicken. Am liebsten hätte ich jetzt gesagt, alles sei ein Irrtum, Tom sei gar nicht der Besitzer des Hauses und hier ständen auch keine Wohnungen frei, zumal Psi-Forschung sowieso der größte Schwachsinn sei.
    Ich verstand nicht, woher plötzlich meine Abwehr kam. Charlie war offen, herzlich und sehr nett. Ich mochte sie auf Anhieb.
    Ich gab ihr das Notizbuch zurück. Sie stopfte es in ihre Jackentasche.
    „Danke Neve, ich hoffe, es klappt irgendwie und wir sehen uns bald. Dann lade ich dich ein auf einen schönen warmen Tee oder auf einen Grog. Trinkst du Grog? Kann man bestimmt gebrauchen in diesem Haus.“
    „Gern.“ Ich nickte, obwohl ich noch nie Grog getrunken hatte. Charlie war ein Typ, der Menschen bestimmt oft zu etwas brachte, wovon sie bislang nicht gedacht hätten, dass sie es jemals tun würden.
    „Okay, bis dann!“ Sie sprang die Treppen hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, voller Tatendrang. Sie war wie ein kleiner Flammenball, den plötzlich jemand in dieses alte, tote Haus geworfen hatte.
     
    Keine Stunde später hörte ich ihr Lachen erneut im Hausflur, hin und wieder unterbrochen von Toms tiefer Stimme. Ich war dabei, meine Bücher vom Dachboden zu holen, und hatte nicht damit gerechnet, dass das Haus so schnell wieder Besuch erhalten würde. Doch Charlie schien es geschafft zu haben, Tom von seiner Arbeit wegzuholen.
    Ich konzentrierte mich, sah zu, wie mein Körper verschwand und begab mich in den Hausflur. Sie waren jetzt in der vierten Etage angekommen. Tom ließ Charlie einen Augenblick vor seiner Wohnungstür warten. Dann tauchte er mit einem großen Bund diverser Schlüssel auf.
    „Am besten, zuerst den Dachboden, wenn wir schon hier oben sind.“
    Sie stiegen hinauf, gingen dicht an mir vorbei.
    „Wow“, stieß Charlie aus, als sie das Bett vor dem runden Panoramafenster und die verhangenen alten Möbel sah. „Das ist ja wie eine Filmkulisse. Wunderbar romantisch.“ Sie ließ sich aufs Bett fallen und ich sah, wie Tom mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt dastand, sie beobachtete und dabei schmunzelte. „Du bist gar kein Besitzer eines zu alten Hauses. Du bist ein Schlossherr. Warum hast du mir das verschwiegen?“
    Sie sprang wieder auf und lachte ihn an. Tom trat verlegen von einem Bein aufs andere. Er wirkte jetzt gar nicht wie der coole Barkeeper, sondern wie Tomaso, der sensible Komponist, den nur ich kannte. Charlie schien seine harte Schale mühelos wegzuschmelzen. Ich zuckte zusammen, als sie ihn vertraulich am Arm berührte, obwohl sie sich doch erst seit einer halben Stunde kannten. „Es ist perfekt, jetzt musst du mir auch unbedingt den Rest zeigen.“
    Tom schloss nacheinander die leerstehenden Wohnungen auf. Erst die in der zweiten Etage, die sich unter ihm befand, dann die in der ersten mir gegenüber und zuletzt die Räume im Erdgeschoss. Charlie drehte sich tanzend vor den großen Fenstern, durch deren kaputte Holzjalousien ein wenig Licht drang. Tom ließ sie nicht los mit seinen Augen.
    „Hui, das ist toll hier, Warum machst du hier nicht eine eigene Kneipe auf?“ Sie hüpfte übermütig ein paar Schritte auf die Wand zu, die den Fenstern gegenüberlag. „Hier die Bar hin. Und vielleicht bemalte Wände. Irgendwas mit Glassteinen. So ein bisschen psychedelisch. Ich sehe es sofort vor mir!“ Sie drehte sich zu ihm. „Oh sorry, ich tu immer gleich so, als wäre alles meins. Dabei geht mich das alles gar nichts an.“ Jetzt stand sie ganz dicht vor ihm und lächelte ihn an.
    Tom lächelte zurück. „Schon okay, schöne Idee. Wirklich.“ Er übergab ihr das Schlüsselbund.
    Der verschlossene Tom gab einem wildfremden Mädchen alle Schlüssel zu den Wohnungen seines Hauses?! Was war nur in ihn gefahren? Am liebsten wäre ich dazwischengegangen.
    „Dann bin ich mal gespannt auf deine Ergebnisse. Manchmal habe ich tatsächlich den Eindruck, es spukt in diesem Haus.“
    „So?“ Charlie zog eine Augenbraue hoch. Das sah genauso perfekt aus wie jede ihrer Bewegungen. „Was zum Beispiel? Spuck’s

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