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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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aus!“
    „Zum Beispiel lese ich neuerdings Wörter im Staub.“
    „Die du betrunken nachts selbst reingeschrieben hast?“ Charlie knuffte ihn in die Schulter wie einen alten Freund. Sie hatte keinerlei Ehrfurcht vor ihm, ganz anders als ich. Ich beneidete sie zutiefst um ihre Unbefangenheit.
    „Nein, wirklich“, verteidigte sich Tom.
    „Dann musst du es mir zeigen.“
    Tom sog die Luft ein. Überlegte er jetzt etwa, sie in sein Musikzimmer zu lassen? Nein, zum Glück nicht.
    „Oh, ich habe es bereits weggewischt.“
    Charlie zuckte mit den Achseln: „Wie schade, dann ist es für die Wissenschaft leider unbrauchbar.“ Sie glaubte ihm kein Wort, schien sich jetzt aber zu fragen, ob Tom sich lustig über sie machte. Sollte sie das ruhig denken. Mir war es recht.
    „Was ist mit dem Keller?“, fragte sie.
    „Der steht unter Wasser.“
    „Kann man überhaupt nicht hinein?“
    „Nur ein Stück weit.“
    Sie gingen zurück zum Hauseingang und stiegen die Treppe hinab, die in den Keller führte. Charlie verzog das Gesicht. Wahrscheinlich wehte ihr ein modriger Geruch entgegen.
    „Licht geht nicht“, entschuldigte sich Tom.
    „Warte, ich hab eine Taschenlampe am Handy.“ Sie kramte ihr Handy hervor und knipste sie an.
    Ein paar Schritte konnte man geradeaus gehen, bevor es merklich bergab ging, und plötzlich schwappte ihnen das Wasser entgegen. Es sah so aus, als würde der Keller wie die Titanic schief ins Wasser sinken, einen Teil noch an der Oberfläche, während der andere Teil bereits untergegangen war.
    Charlie schrie auf, als ein nasses Bündel laut fauchend zwischen ihren Beinen hindurchflitzte, die Treppe hinaufsprang und das Weite suchte.
    „Puh, war das eine Ratte?“ Sie leuchtete den Boden ab, auf dem nasse Abdrücke von Pfoten zu sehen waren. „Eine Katze. Fängt die hier Fische?“
    Tom lachte. „Wahrscheinlich eher Ratten. Ich hab sie schon öfter vor dem Kellereingang herumschleichen sehen.“ Er drehte sich um und machte Anstalten, wieder nach oben zu gehen. „Hier unten wird es zu feucht sein für eine Kamera.“
    „Aber nicht für meine Kamera. Die ist extra für solche Orte konstruiert worden.“ Charlie folgte ihm.
    Ich schaute noch eine Weile auf das Wasser. Es plätscherte in leichten Bewegungen auf den Beton, als würden irgendwo kleine Wellen erzeugt. Aber wie sollte das möglich sein?
    Ganz hinten, wo das Wasser die Kellerdecke berühren musste, glaubte ich, ein schwaches Schimmern wahrzunehmen. Kam dort irgendwo Licht herein? Aber von wo? Und überhaupt. War das Haus von der Statik her nicht einsturzgefährdet, wenn es so sehr bergab ging hier unten? Ich folgte Charlie und Tom wieder nach draußen in den Hausflur.
    Sie verabschiedete sich gerade von ihm.
    „Okay, ich danke dir. Das ist toll. Dann werde ich mich die nächsten Tage an die Arbeit machen.“ Charlie berührte Tom mit beiden Händen links und rechts an den Schultern und gab ihm zum Abschied auf jede Wange einen Abschiedskuss – so wie die Franzosen. Einfach so. Tom stand verlegen da und blickte ihr noch nach, als das Eingangstor längst ins Schloss gefallen war. Dann setzte er sich in Bewegung. Erst wollte er die Treppen hochgehen, bis ihm einfiel, dass er ja zurück in die Kneipe musste.
     
    Als er das Haus verlassen hatte, nahm ich meine Gestalt wieder an und ließ mich auf die erste Treppenstufe sinken. Ich stützte meinen Kopf in die Hände und starrte wie benommen vor mich hin. In meiner Brust spürte ich eine drückende Enge, ungefähr da, wo mein Herz sein musste. Als würden sich Ringe darum legen. Ich war wütend auf Charlie. Sie sollte wieder verschwinden. Und dann noch so was Dämliches wie Psi-Forschung. Sie verdrehte nicht nur Tom den Kopf. Sie machte es mir dadurch auch schwerer, mich frei im Haus zu bewegen.
    Gleichzeitig verwünschte ich mich selbst wegen meiner ablehnenden Gedanken. Es war primitiv, einfach jemanden blöd zu finden, nur weil man eifersüchtig war. Das war absolut unengelhaft.
    Eifersüchtig? Pff, ich war nicht eifersüchtig. Charlie konnte schließlich jeden in Verlegenheit bringen, so wie sie drauf war. Ich versuchte es positiv zu sehen: Vielleicht weichte sie seine harte Schale ein bisschen auf. Tomaso, der Komponist, würde sich bestimmt nicht in so jemand verlieben wie Charlie.
    Die Eingangstür quietschte. Ich sprang auf, als würde mich jemand bei meinen Gedanken erwischen. Erst dachte ich, Tom käme zurück. Ich konnte das Gesicht im Gegenlicht nicht gleich

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