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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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ich heute anziehen sollte.
    Da klopfte es. An meiner Wohnungstür? Tom konnte es nicht sein. Er hatte bereits das Haus verlassen. Es klopfte noch einmal. Grete vielleicht? Ich schlich in den Flur und hörte plötzlich ein Geräusch im Schloss. Einen Moment später machte es Klick und die Tür sprang auf. Vor mir stand eine Frau und starrte mich aus großen dunkelbraunen Augen und mit einem zum O geformten Mund an.
    „Oh … oh … sorry!“
    In der Hand hielt sie einen Dietrich und lachte jetzt über das ganze Gesicht. Sie hatte kurze schwarze Haare, trug enge Jeans, die an ihren langen Beinen toll aussahen, Stiefel mit Absatz, eine kurze, schwarze Jacke und einen pinkfarbenen Schal. Sie war einen Kopf größer als ich und ziemlich hübsch.
    „Voll krass, tut mir leid … ich dachte echt, die Wohnung steht leer … ich … ach.“ Sie machte eine wegwerfende Geste und streckte mir ihre Hand hin: „Charlotte, aber sag Charlie zu mir.“
    Ich nahm ihre Hand und brachte nur „Hi. Neve“ heraus, so verdattert war ich.
    Sofort zog sie ihre Hand wieder zurück und rieb sie sich an ihrer anderen Hand. „Wow, muss saukalt in der Wohnung sein, was?! Wohnst du hier wirklich?“ Sie warf einen Blick über meine Schulter in die Diele, die natürlich alles andere als bewohnt wirkte.
    „Ja“, antwortete ich einfach.
    „Ist mir ja voll peinlich! Schließ bloß ab in der Nacht. Wenn ich es sogar schaffe, mit einem Dietrich reinzukommen! Da mache ich mir gleich Sorgen um dich.“ Sie berührte meine Schulter und lächelte herzlich.
    „Aber vielleicht kannst du mir helfen. Ich habe das Haus gesehen und gedacht, das ist perfekt! Das ist fast unbewohnt – also, zumindest sah es von außen so aus. Ich studiere Physik, bin im letzten Jahr und will mich auf Parapsychologie spezialisieren.“
    Ich sah sie erstaunt an.
    „Oh, schau nicht so, ich weiß, ich weiß. Das klingt abgefahren. Aber das ist es gar nicht. Ich will mich in England bewerben. Und ich will denen was vorlegen, wobei sie die Luft anhalten, damit die mir ein Stipendium geben. Dafür muss ich ein paar Versuchsreihen starten.“
    Charlie tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür, aber fand keinen. Sie zuckte mit den Schultern und strich noch einmal über die nackte Wand, auf der sich nur noch einige Farbreste befanden.
    „Verlassene Räume und ausgekühlte Mauern wie hier sind perfekt. So wie in alten englischen Schlössern. In England kannst du sogar Urlaub auf Schlössern machen, die angeblich von Geistern bewohnt werden. Schon mal davon gehört? Aber ich glaube, das hier ist sogar noch besser – ein vergessenes Haus in einer beliebten Wohngegend. Ich glaube, es kommt nicht nur auf einen verlassenen Ort an, sondern es ist wichtig, dass sich normales Leben in der Nähe abspielt. Ich habe da so meine Theorien …“
    Sie redete auf mich ein wie ein Wasserfall, zwischendurch immer wieder lachend. Ich schüttelte zu ihrem letzten Satz einfach nur den Kopf.
    „Na ja, jedenfalls – weißt du, welche Wohnungen hier leer stehen? Ich müsste für ein paar Wochen ein paar Gerätschaften installieren.“
    „Am besten, du fragst Tom Wieland. Ihm gehört das Haus.“
    „Tom?“
    „T. Wieland steht an seiner Wohnungstür. Er wohnt ganz oben.“
    „Oh, da war ich schon, aber niemand hat aufgemacht.“ Einen Moment herrschte Stille, sie sah mich an, ich bemerkte, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Dann fragte sie: „Wie lange wohnst du eigentlich schon hier?“
    „Ich? Ach ich … noch nicht lange … eigentlich nur vorübergehend.“
    „Vorübergehend … hm …“ Sie verhielt sich, als ob ihr das etwas sagen müsste.
    Für mich ergab es keinerlei Sinn. Oder vielleicht doch? Vor mir stand eine Frau, die übersinnliche Phänomene dingfest machen wollte, und als Erstes klopfte sie bei mir? Ob Grete wieder dahintersteckte? War das ihr Plan, um mehr über mich herauszufinden? Aber woher sollte sie eine Physikstudentin kennen, die sich mit Psi-Phänomenen beschäftigt, wo doch alle Leute angeblich „Kompost“ waren?
    „Tom arbeitet in einer Kneipe. Er kommt erst abends zurück. Meist sehr spät.“
    „Wo ist die Kneipe?“
    „Nicht weit weg von hier. Man kann hinlaufen. Soll ich dir beschreiben, wie du sie findest?“
    „Hey, ja, das wär großartig. Wirklich. Du bist total nett, weißt du das? Also, ich meine, wirklich! Ich sag das nicht nur so. Die meisten Leute kanzeln einen doch immer gleich ab, besonders in Berlin.“ Sie lachte wieder, kramte einen

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