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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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wert sind.«
    Nachdem er eine vier Milliarden Dollar schwere Stiftung ins
Leben gerufen hatte, die von der Kirche verwaltet werden sollte, war John Heineman verschwunden. Die Medien hatten jahrelang eifrig versucht, ihm auf die Spur zu kommen, aber ohne jeden Erfolg. Man hatte ihnen erklärt, er habe sich zurückgezogen, weil er Mönch werden wolle, was auch den Tatsachen entsprach.
    Manche Mönche werden Priester, andere nicht. Obwohl sie im Grunde alle Brüder sind, werden die Priester als Pater bezeichnet. Sie können die Messe lesen und bestimmte Riten vollziehen, die den nicht ordinierten Brüdern vorenthalten sind, aber ansonsten betrachten sie sich als ebenbürtig. Bruder John ist einer der Mönche, die keine Priester sind.
    Geduld! Die Organisation des mönchischen Lebens ist schwerer zu verstehen als die Zubereitung von Pfannkuchen, aber so kompliziert wie Quantenschaum ist sie nun auch wieder nicht.
    Alle Mönche legen die Gelübde der Armut und Keuschheit, des Gehorsams und der Beständigkeit ab. Manche von ihnen geben dabei einen eher bescheidenen Besitz auf, andere lassen eine lukrative Karriere hinter sich. Ich glaube allerdings, mit einiger Sicherheit sagen zu können, dass Bruder John der einzige ist, der auf vier Milliarden Dollar verzichtet hat.
    Den Wünschen John Heinemans entsprechend, hatte die Kirche einen Teil des Geldes dafür verwendet, das alte Abteigebäude zu einem Internat für Kinder umzubauen, die sowohl körperlich wie geistig behindert und von ihrer Familie aufgegeben worden waren. Es handelte sich um Kinder, die sonst in meist lieblosen öffentlichen Institutionen vor sich hin vegetiert hätten oder gar von selbst ernannten »Todesengeln«, wie man sie im medizinischen System immer wieder findet, still und heimlich umgebracht worden wären.
    In dieser Dezembernacht wurde es mir warm bei dem Gedanken, in der Gesellschaft eines Menschen wie Bruder John zu
sein, dessen Mitgefühl so groß war wie sein Genie. Um ehrlich zu sein, trug auch der Keks erheblich zu meiner verbesserten Laune bei.
    Als Ersatz für das Internat war ein neues Klostergebäude erbaut worden. Es enthielt eine Reihe unterirdischer Räume, die nach Plänen von Bruder John konstruiert und ausgestattet waren.
    Niemand bezeichnete den unterirdischen Komplex als Labor. Soweit ich erkennen konnte, handelte es sich auch tatsächlich nicht um ein Labor, sondern um etwas Einzigartiges, das nur ein so genialer Geist hatte ersinnen können. Welchem Zweck es diente, blieb ein Geheimnis.
    Die Brüder, von denen nur wenige je hierherkamen, nannten die Räume »Johns Klause«. Im Mittelalter bezeichnete man so die Behausung eines Einsiedlers, sein im Wald verborgenes Versteck.
    Einer der Mönche sprach allerdings gern davon, Bruder John habe sich eine Art Horst geschaffen, in dem er sich mauserte und ein ganz neues Gefieder wachsen ließ.
    Ein anderer bezeichnete die Klause als Kokon und fragte sich, wann wohl der Schmetterling zum Vorschein käme.
    Solche Kommentare legten die Vermutung nahe, dass Bruder John vielleicht jemand anderer werden würde als der, der er war, jemand Größeres.
    Weil ich Gast und kein Mönch war, konnte ich den Brüdern nichts Weiteres entlocken. Sie beschützten John und seine Privatsphäre.
    Seine wahre Identität kannte ich nur deshalb, weil er sie mir selbst verraten hatte. Dabei hatte er mich nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, sondern gesagt: »Ich weiß, du wirst mich nicht verraten, Odd Thomas. Deine Diskretion und deine Treue sind in den Lauf der Sterne geschrieben.«

    Obwohl ich keine Ahnung hatte, was er damit meinte, bat ich ihn nicht, es mir zu erklären. Er sagte vieles, was ich nicht ganz verstand, und ich wollte nicht, dass unsere Beziehung sich zu einem einseitigen Konzert entwickelte, zu dem ich lediglich ab und zu ein rhythmisches Hä? Hä? Hä? beitrug.
    Ich hatte ihm mein Geheimnis nicht verraten. Warum, weiß ich auch nicht. Vielleicht ist es mir einfach lieber, wenn gewisse Leute, die ich bewundere, keinen Grund haben, mich als Abnormität zu betrachten.
    Die Brüder behandelten ihn mit einem Respekt, der an Ehrfrucht grenzte. Darüber hinaus nahm ich an ihnen eine Spur echter Furcht wahr; allerdings konnte ich mich da auch täuschen.
    Ich hingegen fand ihn nicht furchteinflößend. Ich spürte nicht, dass eine Bedrohung von ihm ausging. Manchmal merkte ich allerdings, dass er sich selbst vor irgendetwas fürchtete.
    Abt Bernard bezeichnete diesen Ort nicht als »Johns

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