Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
Zahl wissenschaftlicher Disziplinen erwerben könnte, war es wahrscheinlich eher zutreffend, dass ich gar nichts wusste.
    Vielleicht hatte irgendein mönchischer Wissenschaftler also doch sein Kloster in Stücke fliegen lassen. Ich war mir jedoch ziemlich sicher, dass das dann nicht absichtlich geschehen war.
    Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass Bruder John, der Philanthrop und Keksbäcker, in einem schummerig erleuchteten Labor stand, das typische Gebrabbel eines irren Wissenschaftlers von sich gab und Pläne schmiedete, die Welt zu zerstören. Er war zwar brillant, aber auch sehr menschlich, weshalb ich mir eher vorstellen konnte, wie er erschrocken von einem Experiment aufblickte und Moment mal! sagte, bevor er die Abtei versehentlich in einen Haufen Nano-Schrott verwandelte.
    »Irgendetwas«, sagte er schließlich.
    »Wie bitte?«
    Er hob den Kopf, um mir wieder in die Augen zu sehen. »Ja, vielleicht doch irgendetwas.«
    »Irgendetwas, Sir?«
    »Ja. Du hast gefragt, ob es möglich wäre, dass es durch meine Arbeit hier zu einer Explosion oder irgendetwas Ähnlichem kommen könnte. Ich sehe eigentlich nicht, wie es explodieren könnte. Mein Werk an und für sich, meine ich.«
    »Aha. Aber etwas anderes könnte geschehen.«
    »Vielleicht ja, wahrscheinlich nein. Irgendetwas.«
    »Vielleicht also ja. Zum Beispiel was?«
    »Was auch immer.«
    »Und was genau?«, fragte ich.
    »Was auch immer man sich vorstellen kann.«

    »Wie bitte?«
    »Nimm doch noch einen Keks.«
    »Sir, vorstellen kann man sich praktisch alles.«
    »Ja, das stimmt. Die Fantasie kennt keine Grenzen.«
    »Also könnte praktisch alles schieflaufen?«
    »Mit der Betonung auf könnte . Irgendetwas Schreckliches und Katastrophales könnte sich ereignen, aber wahrscheinlich wird es das nicht.«
    » Wahrscheinlich? «
    » Wahrscheinlichkeit ist ein bedeutsamer Faktor, Odd Thomas. Zum Beispiel könnte in deinem Gehirn jederzeit ein Blutgefäß platzen und schon in der nächsten Minute deinen Tod herbeiführen. «
    Sofort bedauerte ich, keinen zweiten Keks genommen zu haben.
    Bruder John lächelte. Er sah auf seine Armbanduhr, und dann sah er mich an. Er zuckte die Achseln. »Siehst du? Die Wahrscheinlichkeit war eben gering.«
    »Also, das Irgendetwas, das sich ereignen könnte«, sagte ich. »Angenommen, es ereignet sich tatsächlich, könnte es dann dazu führen, dass eine Menge Leute auf grässliche Weise sterben müssen?«
    »Auf grässliche Weise?«
    »Ja, Sir.«
    »Das ist eine subjektive Beurteilung. Was grässlich für den einen ist, muss für jemand anderen nicht ebenso grässlich sein.«
    »Brechende Knochen, platzende Herzen, explodierende Schädel, brennendes Fleisch, Blut, Schmerzen, Schreie – so grässlich wie diese Dinge.«
    »Vielleicht ja, wahrscheinlich nein.«
    »Ach, das wieder.«
    »Vermutlich würden sie eher aufhören zu existieren.«

    »Das wäre der Tod.«
    »Nein, das wäre etwas anderes. Der Tod hinterlässt eine Leiche.«
    Ich war dabei gewesen, nach einem Keks zu greifen. Nun zog ich die Hand zurück, ohne einen vom Teller zu nehmen.
    »Sir, Sie machen mir Angst.«
    Man staunt, wenn ein sitzender Reiher sich zu voller Größe aufrichtet, indem er seine langen, stockähnlichen Beine auseinanderklappt. Auch Bruder John sah noch größer aus als in meiner Erinnerung, als er sich von seinem Sessel erhob. »Ich mache mir inzwischen ganz schön selber Angst, und das schon ein paar Jahre lang. Man lernt, damit zu leben.«
    »Bruder John«, sagte ich, während ich ebenfalls aufstand, »ich weiß zwar nicht, was Sie hier unten tun, aber sind Sie sicher, dass Sie es tun sollten?«
    »Mein Intellekt ist gottgegeben. Ich habe eine heilige Verpflichtung, ihn zu nutzen.«
    Mit diesen Worten konnte ich mich identifizieren. Wenn einer der auf dieser Welt verweilenden Toten ermordet wurde und sich an mich wendete, damit ich ihm Gerechtigkeit verschaffte, fühlte ich mich immer verpflichtet, der armen Seele zu helfen.
    Der Unterschied bestand darin, dass ich mich sowohl auf meinen Verstand wie auch auf etwas verließ, das man als sechsten Sinn bezeichnen könnte, wohingegen Bruder John sich bei seinen Forschungen ausschließlich seines Intellekts bediente.
    Ein sechster Sinn ist etwas Wundersames, das schon an und für sich auf eine übernatürliche Ordnung verweist. Der menschliche Intellekt hingegen ist trotz all seiner Kraft und seiner Triumphe weitgehend von dieser Welt bestimmt und daher korrumpierbar.
    Wie der Intellekt

Weitere Kostenlose Bücher