Schattennacht
einfach zu umarmen, aber das liegt nur an seinem gewaltigen Umfang.
»Sie waren wie ein Vater für mich«, sagte ich, »und Sie werden immer in meinem Herzen bleiben, Sir.«
»Ach, Junge.« Das war alles, was er herausbrachte.
Auf dem kleinen Parkplatz stehend, sah ich ihn davonfahren, bis sein Wagen nicht mehr zu erkennen war.
Dann ging ich am Straßenrand entlang in die Richtung, in die meine Intuition mich zu führen schien.
Boo gesellte sich zu mir. Er ist der einzige Geisterhund, den ich je gesehen habe. Normalerweise ziehen Tiere immer gleich weiter, doch er war aus irgendeinem Grund über ein Jahr lang in der Abtei hängen geblieben. Vielleicht hatte er auf mich gewartet.
Eine Weile marschierte auch Elvis an meiner Seite, dann begann er, vor mir rückwärts zu gehen. Dabei grinste er, als hätte er mich gerade prächtig ausgetrickst, ohne dass ich es bisher gemerkt hatte.
»Ich hab gedacht, du wärst inzwischen weitergezogen«, sagte ich. »Du weißt doch, dass du dazu bereit bist!«
Er nickte, noch immer grinsend wie ein Irrer.
»Dann geh! Ich komme schon zurecht. Sie warten alle auf dich. Geh!«
Weiterhin rückwärts gehend, winkte er mir zum Abschied. Dann wurde der King of Rock’n’Roll mit jedem Schritt durchsichtiger, bis er für immer aus dieser Welt verschwunden war.
Wir hatten die Berge schon ein gutes Stück weit hinter uns gelassen und tappten durch ein typisch kalifornisches Tal. Der Tag war mild, die Bäume wuchsen in den hellen Himmel, an dem Vögel vorüberzogen.
Seit Elvis sich entfernt hatte, war ich gerade einmal hundert Meter weit gekommen, als ich merkte, dass jemand neben mir herging.
Überrascht sah ich ihn an und sagte: »Guten Tag, Sir!«
Zum Gehen hatte er sich das Jackett über die Schulter geworfen und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Er hatte sein gewinnendes Lächeln aufgesetzt.
»Das wird bestimmt interessant«, sagte ich, »und ich würde mich freuen, wenn ich für Sie vielleicht dasselbe tun kann, was ich für ihn getan habe.«
Er zog an der Krempe seines Hutes, als wollte er ihn lüpfen, ohne ihn abzunehmen, und zwinkerte.
Bald war Weihnachten. Am Straßenrand entlang gingen wir auf das Unbekannte zu, wohin alle Wege, die man nimmt, immer führen: ich, mein Hund Boo und der Geist von »Frankie Boy« Sinatra.
Nachbemerkung
Die Bücher, aufgrund derer Bruder Knoche sein
Leben geändert hat, stammen beide von Kate DiCamillo. Ihre
Titel lauten Die wundersame Reise von Edward Tulane und
Despereaux – Von einem, der auszog, das Fürchten zu verlernen ,
und es sind wunderbare Geschichten. Wie sie Knoche von einem
Leben im Verbrechen zu einem Leben voll Güte und Hoffnung
geführt haben konnten, obwohl sie erst mehr als zehn Jahre
nach den hier wiedergegebenen Geschehnissen veröffentlicht
wurden, weiß ich auch nicht. Ich kann nur sagen, dass das Le-
ben voller Geheimnisse ist. Vielleicht hatte auch die Magie von
Ms. DiCamillo ein wenig damit zu tun.
Odd Thomas
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
Brother Odd bei Bantam Books, N.Y.
Copyright 2006 by Dean Koontz Copyright 2008 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion: Werner Bauer
Herstellung: Helga Schörnig
Gesetzt aus der Aldus Roman bei Leingärtner, Nabburg
eISBN 978-3-641-07850-8
www.heyne.de
www.randomhouse.de
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