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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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des Mönchs, der vor mir stand, waren auch
seine Hände gottgegeben, und dennoch konnte er sie dazu benutzen, um kleine Kinder zu erwürgen.
    Daran musste ich ihn freilich nicht erinnern. Deshalb sagte ich lediglich: »Ich hatte einen schrecklichen Traum, und nun habe ich Angst um die Kinder im Internat drüben.«
    Im Gegensatz zu Schwester Angela erkannte er nicht sofort, dass mein Traum gelogen war. »Haben sich deine Träume in der Vergangenheit denn schon einmal bewahrheitet?«, fragte er.
    »Nein, Sir. Aber dieser war sehr … real.«
    Er zog sich die Kapuze über den Kopf. »Versuch lieber, von etwas Angenehmem zu träumen, Odd Thomas.«
    »Ich kann meine Träume nicht kontrollieren, Sir.«
    Väterlich legte er mir den Arm um die Schultern. »Dann solltest du vielleicht nicht schlafen. Die Fantasie hat eine beängstigende Kraft.«
    Ich nahm nicht wahr, wie ich mit ihm den Raum durchquerte, doch mit einem Mal befanden sich die Sessel hinter uns, und vor mir glitt geräuschlos eine Tür auf. Dahinter lag der in rotes Licht getauchte Vorraum.
    Nachdem ich alleine über die Schwelle getreten war, drehte ich mich um und sah Bruder John in die Augen.
    »Sir, bevor Sie vom Wissenschaftler zum Mönch geworden sind, haben Sie da je darüber nachgedacht, stattdessen Reifenverkäufer zu werden?«
    »Wie lautet die Pointe?«
    »Das ist kein Witz, Sir. Als mein Leben zu kompliziert wurde und ich meinen Job als Grillkoch aufgeben musste, habe ich ein Leben im Reifencenter in Betracht gezogen. Dann bin ich allerdings hierhergekommen.«
    Bruder John schwieg.
    »Wenn ich Reifenverkäufer wäre und den Leuten dabei helfen könnte, ihren Wagen zu einem fairen Preis mit neuen Pneus
auszustatten, dann wäre das eine nützliche Beschäftigung. Könnte ich einfach nur ein Reifenverkäufer sein und nichts anderes, nur ein guter Verkäufer mit einer kleinen Wohnung und der Frau, die ich einst kannte, so würde mir das voll und ganz ausreichen. «
    Durch die im Vorraum herrschende Beleuchtung hatten seine violetten Augen einen roten Schimmer bekommen. Mit einem kurzen Kopfschütteln lehnte er das Leben als Reifenverkäufer ab. »Ich will wissen.«
    »Was wollen Sie wissen?«, fragte ich.
    »Alles«, sagte er, während die Tür zwischen uns zuglitt.
    Polierte Stahlbuchstaben auf gebürstetem Stahl: PER OMNIA SAECULA SAECULORUM.
    Für alle Ewigkeit.
    Durch zischende und lautlose Türen, durch buttergelbes und blaues Licht gelangte ich an die Oberfläche und in die Nacht. Dort verriegelte ich mit meinem Generalschlüssel die Bronzetür.
    LIBERA NOS A MALO, stand auf der Tür.
    Erlöse uns von dem Bösen.
    Während ich die Steintreppe zum Hof hinaufging, begann Schnee zu fallen. Riesige Flocken wirbelten anmutig in der windstillen Dunkelheit und drehten sich wie zu einem Walzer, den ich nicht hören konnte.
    Die Nacht kam mir nun nicht mehr so eisig vor wie bisher. Vielleicht war es in Johns Klause kälter gewesen, als ich wahrgenommen hatte, und damit verglichen schien mir die Winternacht nun mild zu sein.
    Nach wenigen Momenten verwandelten sich die Flocken, die so groß waren wie gefrorene Blüten, in kleinere Gebilde. Die Luft war vom feinen Niederschlag der unsichtbaren Wolken erfüllt.

    Dies war der Augenblick, auf den ich am Fenster meiner kleinen Gästewohnung gewartet hatte, bevor Boo und der Bodach im Hof unten aufgetaucht waren.
    Bis ich in dieses Kloster gekommen war, hatte ich mein Leben in Pico Mundo verbracht, einer Stadt inmitten der kalifornischen Wüste. Deshalb hatte ich es noch nie schneien sehen, bis der Himmel an diesem Abend ein paar verfrühte Flocken ausgespien hatte.
    In der ersten Minute eines echten Blizzards stand ich nun da, gebannt von diesem Schauspiel, und glaubte ohne Weiteres, was ich gehört hatte – dass keine zwei Schneeflocken gleich waren.
    Nicht nur die Schönheit des Anblicks raubte mir den Atem, auch die Art und Weise, wie der Schnee fiel, obwohl es ringsum ganz still war, und die Komplexität dieses ganz einfachen Vorgangs. Obwohl die Nacht noch schöner gewesen wäre, wenn Stormy da gewesen wäre, um sie mit mir zu erleben, war für einen Augenblick alles gut. Doch dann schrie natürlich irgendjemand auf.

7
    Der schrille Angstschrei war so kurz, dass ich mir hätte vormachen können, er sei eine Sinnestäuschung oder von einem Nachtvogel ausgestoßen worden, der, vom Schnee in den schützenden Wald verjagt, über das Kloster davongeflogen war.
    Im Sommer des vorangegangenen Jahres, als mehrere

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