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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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zusätzlich ein Messer dabei – zur Sicherheit oder für ein unterhaltsames Nachspiel.
    Die Kerle mit den flachen, runden Filzhüten, von denen ich
vorher erzählt habe, waren mit Totschlägern, Pistolen und sogar einer hydraulischen Automobilpresse ausgerüstet, aber Messer hatten sie trotzdem auch noch dabei. Wenn man beruflich den Tod anderer Leute herbeiführt, reicht eine einzelne Waffe eben nicht aus. Auch ein Klempner bringt zur Beseitigung eines sanitären Notfalls nicht bloß eine Rohrzange mit.
    Obwohl das Leben mich alt für mein Alter gemacht hat, bin ich noch immer jung genug, um schnell zu sein. In der Hoffnung, dass der Angreifer älter und daher langsamer war, rannte ich von der Abtei weg ins Freie, wo es keine Ecken gab, in die man mich treiben konnte.
    Da ich mitten durch den fallenden Schnee lief, kam es mir vor, als wäre Wind aufgekommen, der mir die Flocken an die Wimpern klebte.
    In dieser zweiten Minute des Blizzards war noch kein Schnee liegen geblieben, sodass der Boden schwarz war. Schon nach wenigen Sprüngen fiel das Gelände leicht zum Wald hin ab, den ich nicht sehen konnte. An seinem Rand würde die offene Dunkelheit sich in ein ebenso dunkles Labyrinth verwandeln.
    Meine Intuition sagte mir, dass der Wald mein Tod gewesen wäre. Rannte ich dort hinein, so rannte ich in mein Grab.
    Die Wildnis ist nicht gerade mein natürlicher Lebensraum. Ich bin ein Städter, der sich nur dann zu Hause fühlt, wenn er Asphalt unter den Füßen hat, der gern die öffentliche Bücherei besucht und es an Gasgrill und Bratplatte zur Meisterschaft gebracht hat.
    Falls mein Verfolger ein typischer Vertreter der neuen Barbarei war, dann war er zwar womöglich nicht in der Lage, mit zwei Holzstöcken und einem Stein Feuer zu machen oder anhand des Mooses an den Bäumen die Windrichtung zu bestimmen, aber schon wegen seines Hangs zur Gesetzlosigkeit war er im Wald bestimmt mehr zu Hause, als ich es je sein würde.

    Ich brauchte eine Waffe, doch ich hatte nichts bei mir außer meinem Generalschlüssel, einem Papiertaschentuch und einer Packung Kaugummi. Jemand mit mehr Erfahrung im Bereich der Kampfkunst hätte daraus vielleicht eine tödliche Waffe fabriziert, aber mir fehlten die nötigen Kenntnisse.
    Das gemähte Gras ging in hohes Gras über, und schon zehn Meter weiter legte mir die Natur Waffen unter die Füße: lose Steine, die meine Behändigkeit und meinen Gleichgewichtssinn erheblich auf die Probe stellten. Ich kam rutschend zum Stehen und bückte mich, um zwei pflaumengroße Kiesel aufzuheben. Dann drehte ich mich um und schleuderte den ersten mit aller Kraft in die Richtung, aus der ich gekommen war. Den zweiten ließ ich unmittelbar folgen.
    Die Steine verschwanden im Schnee und in der Dunkelheit. Entweder hatte ich meinen Verfolger abgehängt, oder der hatte meine Absicht erraten und einen Bogen um mich geschlagen, als ich stehen geblieben war und mich gebückt hatte.
    Rasch hob ich weitere Wurfgeschosse auf und drehte mich herum, um in die Nacht zu spähen, bereit, den Kerl mit einem anständigen Steinhagel zu belegen.
    Nichts bewegte sich außer dem Schnee, der so gerade herabzufallen schien wie die Schnüre eines Perlenvorhangs, nur dass die Flocken sich dabei drehten.
    Ich konnte nicht mehr als vier bis fünf Meer weit sehen. Bisher war mir nicht klar gewesen, dass Schnee dicht genug fallen konnte, um so stark die Sicht zu behindern.
    Ein oder zwei Mal glaubte ich sehen zu können, wie jemand sich am äußersten Rand meines Blickfelds bewegte, aber das war wohl eine Illusion, denn ich konnte keinerlei Gestalt fixieren. Das Wirbeln der Schneeflocken in der Nacht machte mich langsam ganz schwindlig.
    Mit angehaltenem Atem lauschte ich. Der Schnee flüsterte
nicht einmal, während er zu Boden fiel. Es war, als würde er die Nacht mit Schweigen bestreuen.
    Ich wartete. Im Warten bin ich gut. Sechzehn Jahre lang habe ich darauf gewartet, dass meine gemütskranke Mutter mich im Schlaf umbringen würde. Erst dann bin ich endlich ausgezogen und habe sie samt ihrer geliebten Pistole zu Hause sitzen lassen.
    Falls ich trotz der gelegentlichen Gefahren, die meine Gabe mit sich bringt, ein durchschnittliches Lebensalter erreichen sollte, bleiben mir noch etwa sechzig Jahre, bis ich Stormy Llewellyn wiedersehe, drüben in der nächsten Welt. Das ist eine lange Wartezeit, aber, wie gesagt, ich bin geduldig.
    Meine linke Schulter schmerzte, und der vom Knüppel gestreifte Hinterkopf fühlte sich auch

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