Schattennaechte
bei den Kollegen in San Luis erkundigt?«
»Nein«, sagte Mendez. »Aber der Typ, mit dem wir dort zu tun hatten, wusste nicht mal, was seine Linke mit seiner Rechten verbindet.«
»Neri? Er zählt die Tage bis zu seiner Pensionierung, um dann endlich Kaufhausdetektiv zu werden. Ich werde mich mal umhören. Ich kenne noch ein paar andere Leute in San Luis.«
»Danke.«
»Ich danke Ihnen«, sagte sie und sprang vom Tisch. Sie machte einen etwas verlegenen Eindruck, als käme ihr das, was sie gleich sagen würde, nicht gerade leicht über die Lippen. »Dafür, dass Sie mich einbeziehen«, sagte sie. »Das ist keine Selbstverständlichkeit.«
»Es war zuerst Ihr Fall«, erwiderte er. »Warum sollte ich Sie nicht einbeziehen?«
Tanner lachte. »Himmel, von welchem Planeten stammen Sie eigentlich? Da würde ich gerne mal hin. In meiner Welt öffnen sich für mich keine Türen, wenn ich sie nicht eintrete. Man hat mir diesen Fall nur übertragen, weil er so verstaubt war wie die Mode vom vorvorletzten Jahr. Keiner wollte ihn. Keiner wollte sich mit Lauren Lawton abgeben, und keiner glaubt, dass ich auch nur den Hauch einer Chance habe, ihn zu lösen. Ich habe selbst schon aufgehört, daran zu glauben.«
»Hoffentlich nicht.«
Sie sah ihn lange an, aber er konnte ihren Blick nicht deuten. Sie musste eine fantastische Pokerspielerin sein, vorausgesetzt, die Jungs ließen sie mitspielen.
»Dann werde ich mal in San Luis anrufen«, sagte sie.
Er sah ihr nach, wie sie das Zimmer verließ, und dachte, dass in Danni Tanners Leben auch nicht immer alles rundgelaufen war, und dass er dies eines Tages vielleicht erfahren würde. Aber das hatte Zeit. Bis er Roland Ballencoa hinter Gitter gebracht hatte.
33
Lauren fühlte sich, als hätte jemand sie mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen. Allerdings waren es weniger körperliche als emotionale Schläge, die sie erhalten hatte. Leahs Ausbruch ging ihr nicht aus dem Kopf, und der Schmerz ihrer Tochter wurde von ihrem eigenen Gefühl der Schuld und Trauer potenziert.
Welches Unheil hatte sie in ihrer beider Leben angerichtet? Sie hätte ihrer Tochter Halt und Stütze sein sollen. Jede andere Mutter hätte dafür gesorgt, dass das ihr verbliebene Kind sich nach dem Verlust der großen Schwester und des Vaters sicher und geliebt fühlte. Beschäftigt mit ihrer eigenen Wut und Trauer und Schuld, hatte Lauren ihre Tochter mit der Aufarbeitung des Geschehenen alleingelassen. Und als ob das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, hatte sie ihr Kind auch noch Gefahren ausgesetzt. Sie hatte Lauren hierhergebracht, und Ballencoa wusste, wo sie wohnten.
Sie versuchte, sich zur Räson zu rufen. Ballencoa hatte auch in Santa Barbara gewusst, wo sie wohnten. Er hätte jederzeit dort auftauchen können. Stattdessen hatte er die Stadt verlassen und war nach San Luis Obispo gezogen.
Nicht dass sie sich besser fühlte, wenn sie sich das vor Augen hielt. Denn da war noch etwas anderes: Sie war mit Leah nach Oak Knoll gezogen in dem Wissen, dass er hier war. Sie hatte Leah hierhergebracht und genau gewusst, dass die Abrechnung mit Roland Ballencoa anstand.
Sie hatte klar vor Augen gehabt, was zu tun war. Wenn ihr niemand helfen, niemand etwas gegen ihn unternehmen und er niemals gestehen würde, was er Leslie angetan hatte, dann musste sie sich eben selbst helfen und etwas gegen ihn unternehmen, die Wahrheit aus ihm herausholen, egal wie.
Irgendwie hatte sie es geschafft, dieses Vorhaben vor sich zu rechtfertigen und sich davon zu überzeugen, dass ihr Handeln ihr Leben und das ihrer Tochter nicht beeinflussen würde. So als lebten sie beide in einer Blase, die sie mit ihrer Waffe und ihren finsteren Absichten nach Belieben betreten und verlassen konnte, und nichts davon würde Leah betreffen.
Was für ein Unheil sie angerichtet hatte.
Jetzt war sie gefangen darin. Egal welche Entscheidung sie traf, sie wäre falsch, weil nur falsche Entscheidungen dazu geführt hatten, dass sie jetzt hier waren.
Sollte sie Leah eine Mutter sein oder der verlorenen Tochter eine Rächerin? Alles in ihr sträubte sich gegen die Vorstellung, Leslie im Stich zu lassen. Nie würde sie den Gedanken »was, wenn« aufgeben. Was, wenn Leslie doch nicht tot war? Was, wenn sie ihr Kind einen Tag zu früh aufgab? Sie konnte es nicht tun. Aber welches Unrecht beging sie damit an Leah?
Die Fragen summten in ihrem Kopf herum wie Hornissen. Ein Gedanke überwog dabei jedoch alle anderen: Leah ginge es ohne
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