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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Sie hatte keine Lust mehr zu denken. Es war um so vieles leichter, nicht zu denken. Vielleicht sollte sie nach Hause fahren, sich hinlegen und den Rest des Tages damit verbringen, nicht nachzudenken. Und während sie nichts dachte, würde sie auch nichts fühlen. Die scharfen Ränder ihrer Gefühle würden weich werden, sodass sie sie nicht spüren musste.
    Diese Vorstellung erschien ihr wie eine Vision, wie eine Fata Morgana, die am Ende der Old Mission Road auf sie wartete. Sie war so konzentriert darauf, dass sie das Auto, das dort am Straßenrand stand, beinahe nicht bemerkte. Sie wollte es nicht bemerken, und ganz sicher wollte sie den Mann, der aus dem Auto stieg, nicht bemerken, als sie sich ihrem Tor näherte.
    Bereits aus dem Augenwinkel erkannte sie ihn an der Breite seiner Schultern unter dem Chambray-Hemd, an den schmalen Hüften, den zerzausten hellen Haaren, der verspiegelten Pilotenbrille auf der Nase. Sie tat dennoch so, als würde sie ihn nicht sehen, als sie das Fenster herunterkurbelte und den Code für das Tor eingab. Geradeaus starrte sie durch die Windschutzscheibe, als könnte sie so das Tor dazu bringen, sofort aufzugehen – was es nicht tat.
    Er beugte sich vor und sah durch das Fenster auf der Beifahrerseite, klopfte gegen die Scheibe, rief ihren Namen.
    »Lauren.«
    Das Tor hatte sich gerade weit genug geöffnet, damit der BMW hindurchpasste, und sie trat aufs Gaspedal. Aber es half nichts, sie konnte das Tor doch nicht schnell genug hinter sich schließen, um zu verhindern, dass er ihr zu Fuß folgte.
    So viel dazu, nichts zu empfinden. Gefühle stürmten auf sie ein: Ärger, Scham, Angst …
    »Lauren«, sagte er, ging um das Auto herum und lächelte dabei, als wäre er überzeugt, sie würde sich freuen, ihn zu sehen.
    Er war ein gut aussehender Mann, groß, maskulin, mit einem kantigen Kinn und Bartstoppeln wie Don Johnson, aber sie sagte sich, dass sie sich nicht von ihm angezogen fühlte. Vielleicht hätten ihn viele Frauen charmant gefunden, aber sie sagte sich, dass sie ihn nicht charmant fand.
    Sie schaltete den Motor ab und saß einen Moment still da, ohne sich ihm zuzuwenden. Als fielen ihm plötzlich seine Manieren ein, öffnete er die Tür für sie.
    Lauren seufzte und stieg aus.
    »Was willst du hier?«, fragte sie unvermittelt.
    Über seine Lippen huschte ein kleines, sarkastisches Lächeln. »Schön, dass du dich freust, mich zu sehen.«
    »Ich freue mich nicht, dich zu sehen, Greg«, sagte sie. »Du hast keinen Grund, hier zu sein.«
    »Da ich dich telefonisch nicht erreicht habe, dachte ich, ich schau sicherheitshalber mal vorbei. Unter den gegebenen Umständen.«
    Er hatte eine Art, einem ein paar Zentimeter zu nah zu kommen, zu dicht auf den Leib zu rücken. Auf diese Weise machte ein männliches Tier das weibliche Tier subtil auf sich aufmerksam, auf seine Größe, seine Stärke, sein Geschlecht. Sie trat einen Schritt nach hinten.
    »Dann hast du das jetzt ja getan«, sagte sie. »Danke.«
    »Alles in Ordnung bei dir?«
    »Bestens. Mir geht’s rundum gut.«
    Er runzelte die Stirn. »Das stimmt nicht, das weiß ich.«
    »Warum fragst du dann? Du bist der Privatdetektiv und solltest die Antworten kennen.«
    »Warum bist du so wütend auf mich, Lauren?«, fragte er. »Du hast genau das von mir bekommen, was du wolltest.«
    Bei dieser doppeldeutigen Bemerkung errötete sie. Am liebsten hätte sie ihm eine geknallt, überlegte es sich dann aber anders. Sie wollte, dass er ging. Eine Auseinandersetzung würde seinen Aufenthalt nur verlängern.
    »Und ich habe dafür gezahlt«, erwiderte sie. »Um das kleine Extra hatte ich nicht gebeten.«
    Langsam verlor er die Geduld. Das konnte sie ihm trotz der Sonnenbrille ansehen. Seine Kiefer mahlten.
    »Hast du ihn gesehen?«, fragte er. »Weiß er, dass du hier bist?«
    »Nein«, log sie.
    Er glaubte ihr nicht, sagte aber nichts. Er sah zu dem Tor, das mittlerweile geschlossen war. »Glaubst du wirklich, dass ihn dieses Ding da fernhalten wird?«
    »Nein«, sagte Lauren. Sie zog die Walther aus ihrem Hosenbund und hielt sie ihm unter die Nase. »Aber das hier.«
    Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Die willst du aber nicht wirklich benutzen, oder?«
    »Meinst du jetzt oder später?«
    »Wenn du jeden Mann, mit dem du ins Bett steigst, erschießt, wird das deine Chancen auf einen zweiten Ehemann deutlich schmälern«, erklärte er.
    »Wer sagt denn, dass ich einen zweiten Ehemann will«, stieß Lauren hervor, obwohl die Wut

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