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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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er gedroht, die ganze Abteilung und unseren direkten Vorgesetzten zu verklagen. Er hat sogar schon Anstalten dazu unternommen. Die Verwaltung hat ihm einen Vergleich angeboten, damit er Ruhe gibt.«
    »Wie viel?«
    »Fünfzig Riesen, hab ich gehört. Er wollte irgendwas Sechsstelliges. Wahrscheinlich haben sie gedacht, dass sie auf diese Weise billiger davonkommen.«
    »Das erklärt, wie er sich die Miete für zwei Häuser leisten kann«, sagte Mendez.
    »Ach, das ist doch nur ein Taschengeld für Roland. Er hat von der Tante, bei der er aufgewachsen ist, ein hübsches Sümmchen geerbt.«
    »Woran ist sie gestorben?«
    »Ich persönlich glaube, dass sie daran gestorben ist, Rolands Tante zu sein«, sagte sie, während sie nach dem richtigen Karton suchte.
    »Die offizielle Todesursache lautete auf Schädeltrauma infolge eines Treppensturzes. Bis sie gefunden wurde, lag die Leiche vier oder fünf Tage auf dem Boden. Die Verwesung war wegen der damals herrschenden Hitze weit fortgeschritten. Daher war es für den Leichenbeschauer so gut wie unmöglich festzustellen, ob sie gefallen war oder einen Schlag erhalten hatte. Ballencoa war der einzige Erbe.«
    »Wie viel hat er geerbt?«
    »Zwei Millionen.«
    »Wie alt war er damals?«
    »Einundzwanzig. Er hatte gerade seine Strafe wegen sexueller Handlungen mit Minderjährigen abgesessen.« Sie klopfte gegen einen Karton, der auf einem der oberen Regale stand. »Hier ist es.«
    Mendez streckte die Arme danach aus. Der Raum war so klein, dass sie sich beinahe berührten. Sie schlüpfte unter seinen Armen durch, um ihm Platz zu machen, und musste sich dabei kurz an ihm festhalten, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Die Berührung verursachte ein Kribbeln in seinem Bauch.
    »Stand er unter Verdacht?«
    »Die Polizei hat ihn und einen Kumpel aus dem Gefängnis vernommen – Michail Craig Houston, einen anderen angehenden Psychopathen. Die Lokalpresse hat die beiden schon als neues Mordduo dargestellt, aber wir konnten ihnen nichts nachweisen. Sie gaben sich gegenseitig Alibis, ganz abgesehen von dem Umstand, dass die Mordthese nicht zu beweisen war. Wenn sie es also getan haben sollten, kamen sie damit davon.«
    »Was ist mit Ballencoas Eltern?«, fragte er und folgte ihr auf den Flur.
    »Seine Mutter hat eine Überdosis erwischt, als er zehn, zwölf Jahre alt war«, sagte sie und steuerte auf den Konferenzraum zu. »Der Vater ist meines Wissens unbekannt.«
    »Wo war dieses kleine Familienidyll?«
    »Im Norden von Eureka«, sagte sie. »Wo auf einen Normalbürger zehn Idioten kommen. Der Genpool in einigen dieser Holzfällersiedlungen ist eine winzige Pfütze.«
    Mendez stellte den Karton auf den Tisch und nahm den Deckel ab. Tanner ging die Akten durch und zog die gesuchten Unterlagen heraus. Ihre unlackierten Fingernägel waren kurz und gepflegt. Sie trug keine Ringe.
    »Viel ist es nicht. Kaum mehr als das, was ich Ihnen neulich schon gegeben habe. Ein paar alte Zeitungsausschnitte über den Tod der Tante und ein paar Telefonnummern von anderen Behörden, die mit ihm zu tun hatten«, sagte sie schulterzuckend. »Wir wurden von dem Fall abgezogen.«
    »So wie ich«, sagte Mendez und klappte den Aktendeckel auf.
    Tanners Kichern hatte etwas Boshaftes. »Ich mag Sie, Mendez. Wir haben dieselbe Art zu denken.«
    Sie stemmte sich hoch und setzte sich auf den Tisch, an den er einen Stuhl herangezogen hatte. Wie bei ihrer ersten Begegnung trug sie schwarze Hosen und ein schwarzes T-Shirt, aber heute ergänzt durch einen goldfarbenen Blazer, der ihre grünen Augen zum Leuchten brachte. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem schlichten Pferdeschwanz zurückgebunden.
    »Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?«, fragte sie.
    »Alles, was auffällt. Ich möchte so viel wie möglich über diesen Mann in Erfahrung bringen. Ich treffe mich heute Nachmittag mit Vince Leone, um über ihn zu sprechen.«
    Tanner pfiff durch die Zähne. »Nicht schlecht. Attraktiv, hartgesotten, wohlerzogen und gute Beziehungen. Gebt mir einen Fächer, mir wird heiß.«
    Mendez bemerkte, dass er errötete, und unterdrückte das kleine Lächeln, das sich auf seine Lippen stahl. Er musste sich zusammenreißen, er war schließlich zum Arbeiten hier. Schnell richtete er seinen Blick wieder auf die Akte, wohl wissend, dass Tanner ihn amüsiert betrachtete.
    »Glauben Sie denn an diese Fallanalysen?«, fragte sie.
    »Klar. Sie nicht?« Es gab noch genug altmodische Cops, die das Erstellen eines Täterprofils für

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