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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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haben?«
    »Ich bin gelernter Kfz-Mechaniker und hab in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet – VEB hat man das genannt.«
    »Und politisch?«
    »Na ja, wie alle jungen Männer. Militärdienst natürlich. Was allerdings kein Zuckerschlecken war, kann ich Ihnen sagen.«
    Häberle zeigte sich verständnisvoll. »Als was haben Sie gedient?«
    »Zuletzt als Kfz-Mechaniker, zuvor an der Zonengrenze.«
    »Grenzsoldat?«
    »Ja«, erwiderte Korfus knapp und wich Häberles Blick aus. »Ein paar Monate.«
    Endlich saß ihm einer gegenüber, dachte der Chefermittler. Nie zuvor hatte er jemanden getroffen, der diese menschenverachtende Demarkationslinie inmitten Deutschlands bewacht hatte. Alle waren sie doch irgendwie untergetaucht. Keiner wills gewesen sein. Er wechselte das Thema: »Und dann haben Sie sich also drüben schon in der Kirche engagiert?«
    »Nicht engagiert, nein. Aber gebetet. Ja, ich hab gebetet, wie das alle getan haben. Montags. Wir haben gespürt, dass etwas Großes geschehen würde.«
    »Und Herr Simbach hat das auch getan?«
    »Alexander, ja.«
    »Sie kennen sich aus der Jugendzeit?«
    Korfus nickte.
    »Und was hat er gelernt und getan?«, fragte Häberle.
    »Er hat eine Elektrolehre absolviert und ist dann im Sicherheitsbereich tätig gewesen.«
    Der Chefermittler suchte eine bessere Sitzposition. Der Holzstuhl war für sein breites Kreuz viel zu klein. »Bei der Volkspolizei?«, fragte er, ohne allzu großes Interesse daran erkennen zu lassen. »Nein, nicht Volkspolizei«, erwiderte Korfus. »Bei der Justiz. So was wie ein Wachtmeister – oder so ähnlich. Genau weiß ich das nicht. Interessiert mich auch nicht.«
    »Aber damals, vor der Wende, da waren Sie doch zusammen?«
    »Wir haben uns sporadisch getroffen. Nicht regelmäßig, nee.« Er beäugte misstrauisch Linkohr, der wieder zu schreiben begann. »Soll das eigentlich ein Verhör sein?«
    »Nichts Offizielles«, beruhigte Häberle. »Wir versuchen, uns ein Bild von den Lebensumständen der Toten zu machen. Weiter nichts.« Er lächelte. »Deshalb interessiert uns eben Simbachs Vergangenheit.«
    »Wie gesagt, ich weiß nicht viel von ihm. Er selbst hat auch nicht viel drüber geredet. Wie wir überhaupt diese unselige Vergangenheit lieber vergessen möchten.«
    »Dass Sie sich hier in Geislingen wieder getroffen haben – war das Zufall?«, wechselte Häberle das Thema.
    »Ja, reiner Zufall. Seine Frau ist von hier. Er hat sie gleich nach der Wende in Bischofswerda bei einem Fest kennengelernt. Und wir beide …« – er sah zu seiner Frau und quälte sich ein Lächeln ab –, »wir sind uns 1990 in Bautzen über den Weg gelaufen. Liliane hat Freunde besucht. Sie hatte irgendwie schon vor der Wende Kontakte. Na ja – dann hats bei uns gefunkt und zwei Jahre später haben wir dann in Geislingen die Kfz-Werkstatt aufgemacht. Liliane kommt aus der Gegend hier – und weil Geislingen die Partnerstadt von Bischofswerda ist, haben wir uns hier niedergelassen. Dass Simbach hier bereits eine Getränkehandlung hatte, hab ich erst später erfahren.«
    »War das eine Freude, hier einen alten Bekannten zu treffen?«, fragte Häberle.
    »Was heißt Freude? Wissen Sie, in diesen Zeiten damals, war jeder sich selbst der Nächste. Jeder wollte möglichst schnell am Kapitalismus teilhaben. Viele sind bös auf die Nase gefallen. Da blieb keine Zeit für Freundschaften.«
    Linkohr hatte den Eindruck, dass das eine ausweichende Antwort war, und machte sich eine entsprechende Notiz.
    »Aber in der Kirchenarbeit hat man sich zusammengefunden«, resümierte Häberle.
    »Er hat sich als Sponsor hervorgetan – ja, und mich haben se sogar in den Kirchengemeinderat gewählt.« Korfus deutete wieder ein Lächeln an. »Daran sieht man, dass auch wir Ossis hierzulande langsam akzeptiert werden. Mir liegt zwar weniger der Verwaltungskram. Aber ich hab gesagt, ich bring mich handwerklich ein.«
    »Sie sind für die Glocken zuständig?«
    »Richtig. Glockenbeauftragter heißt das. Trotz aller Elektronik ist die Technik im Turm mit viel Mechanik verbunden. Motoren, Antrieb, Aufhängung und so weiter.«
    »Wie muss man sich das vorstellen? Machen Sie regelmäßige Kontrollgänge?«
    »Ja, in der Regel. Am sinnvollsten natürlich, wenns läutet.«
    Die beiden Kriminalisten sahen ihn gespannt an. Häberle gab sich wissend: »Verstehe. Sie müssen ja prüfen, ob die Mechanik in Ordnung ist.«
    »Da schwingen tonnenschwere Kolosse. Da müssen Sie schon sorgfältig

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