Schattennetz
und strich sich Marmelade aufs Brot. »Gestern Abend haben wir noch erfahren, dass mans wohl bei diesem Simbach gefunden hat – aber dann hats einer, der im Turm dabei war, auf einen Fenstersims gelegt. Sagt er jedenfalls.«
»Aber da liegts natürlich nicht mehr?«
»Offenbar nicht. Nein. Die Spurensicherung hat keines entdeckt.«
»Aber ihr kriegt doch sonst immer raus, wo das Gerät zuletzt war, oder?«
»Wir sind schon heftig dran«, bestätigte er und zog den Sportteil aus der Zeitung.
»Und was hats mit diesem geheimnisvollen Schraubenzieher auf sich, von dem Sander hier schreibt? Davon hast du mir gestern gar nichts mehr erzählt.«
»Ist da so rumgelegen«, sagte Häberle und studierte die neueste Entwicklung beim Bundesliga-Hallenhandballverein ›Frisch Auf Göppingen‹. »Muss nicht unbedingt mit der Sache zu tun haben.«
Die beiden Eheleute schwiegen sich noch ein paar Minuten Zeitung lesend an. Als im Radio die morgendlichen Regionalnachrichten kamen, in denen die Geislinger Verbrechen ebenfalls ein Thema waren, lauschten sie beide auf den Sprecher. »Noch gibt es keine Hinweise auf den oder die Täter«, endete die Meldung.
Häberle drückte seiner Frau einen Kuss auf die Wange. »Wünsch dir einen schönen Tag«, sagte er und strich ihr übers Haar. Sie rief ihm nach: »Viel Erfolg.« Dass es am Abend später werden konnte, brauchte er in solchen Fällen nicht besonders zu erwähnen. Susanne war es gewohnt. In den langen Ehejahren hatte sie oft genug erfahren, wie sich ihr Mann in einen Fall hineinknien konnte.
Er brauchte eine dreiviertel Stunde, bis er die 20 Kilometer zur Geislinger Kriminalaußenstelle zurückgelegt hatte. Irgendwann würde er die Ampeln zählen, schwor er sich, als er zum x-ten Mal vor einem Rotlicht stoppen musste. Der Weiterbau der neuen Bundesstraße 10 von Stuttgart her hatte sich zu einer unendlichen Geschichte entwickelt. Gerade hatten sie die Umgehung von Eislingen eingeweiht. An diesem viereinhalb Kilometer langen Teilstück ist fünf Jahre rumgedoktert worden, dachte Häberle, als die Kolonne kurz vor der Gemeinde Kuchen wieder mal nur im Schritttempo vorwärts kam. In solchen Momenten erschien es ihm völlig unmöglich, dass man es in den neuen Bundesländern innerhalb kürzester Zeit geschafft hatte, meilenweit neue Straßen aus dem Erdboden zu stampfen. Hier in den Südstaaten, wie sich Häberle oftmals auszudrücken pflegte, weitab von der Hauptstadt, schien es so, als fände der Straßenbau noch mit Schaufel, Pickel und Stoßkarre statt. Vermutlich war dieses Schneckentempo politisch gewollt, um die lautstarken Befürworter der neuen B 10 wenigstens mit ein paar neuen Straßenmetern bei Laune zu halten, während drüben im Ostteil der Republik auch vollends die letzte Hundertseelengemeinde eine Umgehungsstraße und ein neues Gewerbegebiet kriegen konnte. Häberle hatte seinem Unmut darüber schon mehrfach bei Gesprächen mit Landes- und Bundespolitikern Luft gemacht. Doch gefruchtet hatte es nichts. Er hatte dies auch gar nicht erwartet.
So in Gedanken versunken erreichte er das Polizeirevier, in dem er die uniformierten Kollegen freundlich begrüßte, die er im Treppenhaus traf. Droben im Lehrsaal hatten sich bereits sieben Kriminalisten um zwei Bildschirme versammelt. »Guten Morgen, die Herren«, rief Häberle in den Raum und erntete sogleich mehrstimmige Erwiderung. Einer der Männer berichtete, dass es auf Sanders Artikel noch keine Resonanz gegeben habe. »Weder zum Handy noch zum Schraubenzieher. Auch sonst nichts.«
»Und aus Kirchenkreisen auch nichts«, stellte Fludium enttäuscht fest. »Mir will nicht in den Schädel, dass keiner was weiß.«
»Wissen vielleicht schon«, meinte ein beleibter Kriminalist, der sich an den Aktenschrank gelehnt hatte. »Aber zwischen wissen und uns was sagen besteht halt ein himmelweiter Unterschied. Dafür haben wir heut früh schon was rausgefunden.« Er zögerte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Wir sollten dringend diesen Czarnitz unter die Lupe nehmen. Seine Immobiliengeschichte in den neuen Bundesländern scheint sehr gut gelaufen zu sein.«
Häberle lehnte sich in den Türrahmen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Linkohr gar nicht da war. »Ihr habt den Czarnitz überprüft?«
»Ja, liegt aber nichts gegen ihn vor. Auch nicht gegen Alexander Simbach übrigens«, erklärte der Kriminalist vom Aktenschrank. »Aber ein Immobilienhändler, der hier in der Stadt das Gras wachsen hört – ein
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