Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
am Hackbraten bedient, den Vogelkäfig auf Liz Harmons hinterer Veranda geöffnet und nicht nur einen, sondern alle drei Wellensittiche von ihr verspeist.«
Der arme Horus. Er hatte zwar gelernt, in der Stadt zu überleben, war aber seiner Natur treu geblieben. Da es ihm verboten worden war, in Abbys Garten auf die Jagd zu gehen und zu töten, hatte er seiner Frustration freien Lauf gelassen, indem er die Nachbarschaft terrorisierte. Doch Abby war und blieb ein unüberwindliches Hindernis. »Ich schätze mal, du hast Hausarrest, Katze. Vielleicht lässt sie dich in ein oder zwei Tagen wegen guter Führung wieder raus.«
Horus knurrte wieder.
Ich ging nach unten und zog mir etwas anderes an. Ich wollte Nirah wieder in den Garten setzen, deshalb brauchte ich das Hemd mit der Tasche nicht mehr. Dieses Mal nahm ich meine Pistole und das Messer mit. Ich hatte keine Jacke hier, unter der ich die Pistole hätte verstecken können, deshalb griff ich nach einem dünnen Nylonblouson.
Jetzt am späten Nachmittag lag die Außentemperatur bei zweiunddreißig Grad, aber Dacardi hatte den Thermostat seiner Klimaanlage auf Kühlschranktemperatur eingestellt, sodass ich mir, noch ehe wir eine Meile gefahren waren, die Jacke eng um den Körper zog.
»Was zum Teufel ist das?« Er warf mir ein gefaltetes Blatt zu.
Ich nahm es in die Hand, wusste aber, bevor ich es aufschlug, schon, was es war. Michaels Flugblatt, auf dem die Belohnung ausgesetzt war. Michael hatte mir meine Jagd ernsthaft vermasselt.
Dacardi wusste wahrscheinlich mehr, als er mir sagte, deshalb war es in Ordnung, wenn ich ihm die Wahrheit erzählte – zumindest einen Teil davon. »Jemand mischt sich ein.«
»Dieser Wichser vom Fitnessstudio.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ja, der.«
»Warum? Ist er auf Sie scharf? Oder haben Sie was mit ihm vor?«
»Michael mag mich. Das ist alles.« Ich versuchte, ganz ruhig zu reden. Ich wollte nicht über eine komplizierte Situation sprechen, die ich weder verstand noch steuern konnte. »Ich habe ihm gesagt, dass es ein Fehler von ihm war, diese Flugblätter in Umlauf zu bringen.«
Dacardi bog in die River Street ein. »Ich habe eine Belohnung für meinen Jungen ausgesetzt. Hat nichts gebracht.«
»Sie haben eine Belohnung in Ihrer Welt ausgesetzt. Michael in den Barrows. Das ist sein Gebiet. Ein großer Unterschied.«
»Glauben Sie, es bringt was?« Er lenkte den Wagen mit einer Hand. Mit der anderen, die er zur Faust geballt hatte, schlug er sich in einem gleichmäßigen Rhythmus auf den Schenkel. Flynn hatte einen Teil seiner inneren Anspannung wegen der Sorge um Selene abbauen können, indem er mit mir sprach. Doch für den Verbrecherboss konnte es tödliche Konsequenzen für ihn und seine Familie haben, wenn er seine wahren Gefühle zeigte.
»Ich weiß es nicht. Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand die Kinder auf seiner Türschwelle absetzen wird.«
Dacardi sagte nichts. Er schwieg, bis wir die River Street verließen und ins Industriegebiet am Fluss fuhren. Lagerhäuser mit riesigen Anlegern, wo die Waren gelöscht wurden, säumten jeden Zentimeter des Flussufers. Wir fuhren auf den Parkplatz des Crestline-Lagerhauses. »Da ist viel zu viel im Gange«, brummte er. Er schaltete den Motor des Mercedes aus. »Meine Frau, die ist häufig zu diesem Engel gegangen?«
»Erzengel.«
»Sie redete über ihn, diesen Mann, als wäre … als wäre er ein Gott.«
»Auf manche Menschen hat er diese Wirkung«, stimmte ich ihm zu.
»Aber nicht auf Sie.«
Verdammt, ich wollte mich nicht über Michael unterhalten, aber ich musste ihm wohl ein paar Antworten geben. »Ich bin jetzt lange genug in den Barrows, um bei allem argwöhnisch zu sein.«
Er musterte mich mit seinen dunklen Augen. »Sie trauen ihm nicht?«
»Zurzeit ist jeder aus den Barrows ein Feind, bis er bewiesen hat, dass er ein Freund ist … und ich nehme meine Freunde verdammt genau unter die Lupe.«
Dacardi nickte. »Sie sind wie ich, Sie Miststück, nicht wie der Cop. Guter Mann, dieser Flynn. Hüten Sie sich lieber vor ihm. Ich habe eine gute Frau geheiratet. Sie kommt mit ein paar Dingen nicht klar.«
Beziehungstipps von Carlos Dacardi? Eine Warnung vor den Fallstricken? Ich wusste, dass er recht hatte.
»Es nervt, Dacardi. Aber was gibt es sonst noch, wenn man jemanden liebt?«
»Ja. Was sonst?«
Im Lagerhaus verlud die zweite Schicht gerade Paletten mit Kisten auf Lastwagen. Alles brüllte, lachte und fluchte, während sie
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