Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
brauche.«
Abby zuckte zusammen, als die Mutter sie verließ. Sie blinzelte und runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
»Mom war da. Ich habe sie verärgert – mal wieder.«
Abby stieß einen Seufzer aus. »Hat sie dir einen Vortrag gehalten wegen der Pistole?«
»Sie hat ein bisschen rumgenörgelt.«
Es war eins der wenigen Male, dass Abby das Gesicht verzog. Sie verstand nicht, warum ich so wenig Ehrfurcht vor einem Wesen hatte, das den Mittelpunkt ihres Lebens bildete. Ich verstand es auch nicht, aber meine Aufmüpfigkeit verstärkte sich von Tag zu Tag.
»Mir gefällt das mit der Pistole auch nicht, Cass. Warum bestehst du so darauf, sie zu tragen?«
Warum verstanden sie und die Mutter es nicht?
»Das Weglaufen hängt mir zum Hals raus, Abby. So sehr. Ich will diesen verdammten Perverslingen und Mördern gegenübertreten … ganz abgesehen von den Monstern. Ich schleiche mich in die Barrows, schnappe mir ein Kind, und der Mistkerl geht einfach los und holt sich ein anderes.«
»Und wie viele von diesen Perverslingen hast du getötet?«
»Mit der Pistole? Drei.«
Eine tiefe Befriedigung erfasste mich bei dem Gedanken. Ich mochte dieses Gefühl nicht. Die Barrows hatten mich über die Jahre abstumpfen lassen, und in mir war eine tief sitzende Angst, dass das dort herrschende Böse irgendwann meine Seele vergiften und mich zu einer mitleidlosen Mörderin machen könnte.
»Sieben oder acht habe ich so davon abgehalten, mich zu verfolgen«, versuchte ich, sie zu besänftigen.
Die Pistole wurde mit Kugeln vom Kaliber .45 geladen, von denen zehn in einem Magazin steckten. Die Waffe wies weder einen Herstellernamen noch eine Seriennummer oder andere Merkmale auf, anhand derer man sie hätte identifizieren können. Ein schnelles, zuverlässiges Werkzeug, außer der Schütze ist unfähig … wie der vorherige Besitzer der Pistole. Handfeuerwaffen sind nutzlos in der Hölle, und der blöde Bastinado hätte sie ohnehin nicht mitnehmen können. Ich hatte sie als Belohnung, seine armseligen Zielversuche überlebt zu haben, an mich genommen.
»Warum stört dich die Pistole so sehr?«, fragte ich. Das leichte Gefühl, mich verteidigen zu müssen, schwang in meinen Worten mit. »Du hast doch auch gerade von so einem Mistkerl die Gedärme platzen lassen, weil er mir wehgetan hatte.«
Abby streckte die Hand nach meiner aus und drückte so fest zu, dass ich das Gefühl hatte, sie würde mir gleich die Finger ausrenken. »Und wenn sie zurückschießen?«
»Nun, ich muss wohl zuerst schießen.«
Abby ließ mich los. Sie legte die Hand über den Mund, als wollte sie Worte zurückhalten, die sie nicht auszusprechen wagte.
»Ich bin kein Revolverheld aus dem Wilden Westen«, sagte ich. »Ich benutze Bronze bei Monstern. Damit kann man nicht gut auf Menschen schießen. Mit Bronzekugeln trifft man nicht so genau, und sie haben auch keine große Reichweite.« Ich belog Abby. Nur, wovon wollte ich sie überzeugen? Dass ich keine kaltblütige Mörderin war?
»Abby, ich muss jetzt Flynns Schwester und Dacardis Jungen finden, aber wenn der dunkle Mond vorbei ist …«
»Was hat der dunkle Mond mit der Suche nach diesen Kindern zu tun?«, wollte Abby plötzlich wissen.
»Die Mutter sagte … halt … Was ist los?«
Abby antwortete nicht. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass sie den Blick nach innen gerichtet hatte, eine Hexe, die nach einer mächtigen Ahnung suchte. Als sie mich wieder anschaute, lief mir ein Schauer über den Rücken. Was immer sie gesehen haben mochte, hatte sie so kalt wie der Sullen im Winter werden lassen, und derselbe eisige Hauch schwang auch in ihrer Stimme mit. »Der bevorstehende dunkle Mond ist Bestandteil einer bestimmten Sternenkonstellation, Cass. Ein Stern stirbt und ein anderer wird geboren.«
Der Begriff dunkler Mond war mir vertraut. Unsere Nachbarn auf dem Hof nebenan waren Heiden gewesen und hatten meine Eltern und mich gelegentlich dazu eingeladen, den dunklen Mond zu begehen. Bei einer Erdhexe wie Abby überraschte es mich nicht weiter, dass auch sie diesen Begriff benutzte. »Der dunkle Mond ist nichts weiter als der Neumond. Das habe ich in der Schule gelernt. Das weiß ich noch.«
Abby lächelte. »Der dunkle Mond ist mehr als etwas, das sich mit wissenschaftlichen Mitteln erklären ließe. In früheren Zeiten richtete man sein Leben nach den Mondphasen und der Verbindung zur Großen Mutter aus. Gelegentlich hat man in einem Kalendermonat zwei dunkle Monde. Und das
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