Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
ist keine Festung. Ich rief ihre Eltern an. Keine Reaktion. Ich rief die Polizei. Keiner kam. Wir scheinen ganz unten auf der Dringlichkeitsliste zu stehen. Ehe ich irgendetwas tun konnte, war es hier voll mit diesen dreckigen Bastinado-Unholden, die meinen, immer noch Menschen zu sein.« Er klang völlig niedergeschlagen. »Das Mädchen ging mit ihnen mit, damit die Kerle hier nicht alles verwüsteten und womöglich noch jemand verletzt wurde.«
Ich hatte im Laufe der Jahre verschiedene Versionen derselben Geschichte von unterschiedlichen Leuten gehört. Pericles Therons Schläger hatten einmal das Gleiche wegen eines zwölfjährigen Jungen gemacht, als Pater Jacob noch der Leiter der Mission gewesen war. Allerdings war ich damals kurz nach dem Vorfall eingetroffen, war losgezogen und hatte den Jungen ausfindig gemacht und zurückgeholt, womit ich mir einen weiteren Strich auf Therons Kerbholz eingehandelt hatte.
Ich biss mir auf die Unterlippe und äußerte meinen Ärger nicht. Denn Victor hatte zwar die Polizei und die Eltern des Mädchens angerufen, aber nicht mich. Na gut, ich würde tun, was in meiner Macht lag. »Schau mal, ob du herausfinden kannst, wo sich die Bastinados jetzt herumtreiben. Mal sehen, ob ich das Mädchen ausfindig machen kann.«
»Wenn sie noch lebt«, meinte er leise.
»Das hoffe ich, aber es wird nichts daran ändern, wie ich mit den Bastinados verfahre.«
Victor nickte. »Frau Justitia.«
»Nein. Ich bin nur eine Frau mit einem ziemlich zickigen Charakter … und einer Pistole.«
»Ja. Und Gott möge mir vergeben, aber diesmal hoffe ich, dass du die Gelegenheit hast, sie zu benutzen.«
Das war etwas Neues. Victor hatte es mir genau wie Abby immer versucht auszureden, dass ich Waffen benutzte.
»Hat dir irgendwer etwas über den dunklen Mond erzählt?«, fragte ich.
Victor runzelte die Stirn. »Dunkler Mond? Neumond. Den haben wir jeden Monat einmal.«
Pater Jacob hatte, obwohl er dort lebte, wie so viele die Augen vor dem verschlossen, was in den Barrows vor sich ging. Die meisten, die in den Barrows lebten, wussten Bescheid, sprachen aber nie davon. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht hatte Jacobs Glaube ihn davon abgehalten, mehr als das zu sehen, was er als seinen Lebenszweck betrachtete. Victor war dagegen viel praktischer veranlagt. Ich bin mir fast sicher, dass er sich dazu überwunden hatte, Nachforschungen anzustellen. Denn ich hatte mehr als einmal das Gefühl gehabt, dass er ein wenig … beunruhigt wirkte. Er würde nicht der Erste sein, der wegen des bizarren Lebens, das er hier führte, den Bezug zur Realität verlor.
»Es soll irgendeine bestimmte Sternenkonstellation geben«, erklärte ich. »Sterne, Planeten. So richtig unheimlicher Kram.«
Victor lächelte. »Unheimlicher Kram. Welch gewählte Ausdrucksweise.«
»Du kennst doch Michael? Den Erzengel? Er sagt …«
»Ich nehme an, du meinst den Besitzer von diesem dekadenten Fitnessstudio.« Victors Augen wurden ganz schmal. Als er redete, schwang in seiner Stimme die gleiche kalte Wut mit, mit der er über die Bastinados gesprochen hatte. »In den Barrows gibt es grauenhafte Ungeheuer mit Zähnen und Klauen, Cassandra, die sich von Menschenfleisch ernähren. Und dann gibt es noch die wunderschönen Ungeheuer, die lächeln und zarte Hände haben, die sich von menschlichen Seelen ernähren. Welche ziehst du vor?«
»Die, die ich töten kann.«
»Wirst du Michael töten oder ihm deine Seele geben? Komme ihm nicht zu nah. Ich kenne ihn. Er wird dich vernichten.« Victors schmale Schultern sackten nach unten, sodass seine schäbigen Klamotten so aussahen, als würden sie immer noch auf einem Bügel hängen. »Was wird aus den Kindern, Cassandra, wenn das Böse dich holt und du zu dem wirst, was du am meisten verabscheust?«
Er hatte einen wunden Punkt bei mir getroffen. »Die Erdmutter würde irgendein anderes junges Mädchen dazu verleiten, ihr Leben für die Sache zu opfern.« Ich hatte mit ihm über meinen Glauben an die Erdmutter gesprochen, und er hatte es hingenommen, ohne sich dazu zu äußern. Er war kein Mensch für zwanglose Unterhaltungen. Ich weiß nicht, ob er mir glaubte oder nicht. Das war nicht weiter überraschend. Ich nahm die Fotos und steckte sie wieder ein. »Ich kann Michael nicht als Ungeheuer sehen.«
»Das ist das Problem.« Er griff nach meiner Hand.
Ich stand auf, und er ließ mich los. »Versuch, für mich herauszufinden, wo sich die Butcher Boys für gewöhnlich herumtreiben«,
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