Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
war nicht der Typ, den man schmerzlich vermisste, wenn er mal nicht da war.
»Ist Joe da?«, fragte ich.
»In der Bar.« Sho zeigte zur Tür. Er warf Flynn einen Blick zu. Er zögerte, dann sagte er: »Ein paar Frauen tanzen vor.«
Ich half Flynn wieder hoch. Er schwankte leicht, doch dann schien es ihm wieder gut zu gehen, außer dass ich an seinem finsteren Blick sehen konnte, dass er wütend auf mich war. Aber es war ja nicht so, dass ich ihn absichtlich in Rage versetzte. Ich strich seine Kleidung glatt und klopfte ein bisschen Staub ab. Na, die Muskeln fühlten sich gar nicht mal übel an.
»Sie hätten zur Seite springen sollen«, meinte ich und versuchte, zerknirscht zu klingen.
»Sind wir deshalb hergekommen?« Flynns Stimme hätte den glühenden Asphalt draußen zum Vereisen gebracht. Er rieb sich die Faust, mit der er Hector den Kiefer gebrochen hatte. Es war kein Blut dran, tat aber bestimmt höllisch weh.
Noch mehr Worte hätten die Sache vielleicht weiter verschlimmert, deshalb drehte ich mich um und trat in den dunklen Flur, der in die Bar führte.
Das Holey Joe’s sah mit den Tischen und dem großen U-förmigen Tresen mit einer Stange wie die meisten Strip-Lokale aus, in denen die Gäste die Mädchen beim Tanzen angaffen und begrapschen konnten, wenn sie ihnen Geld zusteckten. Hier war es eindeutig kühler als draußen in der Gasse, aber es stank nach schalem Bier und kaltem Zigarettenrauch.
Joe saß an einem der Tische, und sein Blick hing an einem schlanken, nackten Mädchen, das ein paar Schritte von ihm entfernt stand. Sie schien körperlich voll entwickelt, aber trotzdem noch sehr jung. Sie mied den Blickkontakt mit ihm, und auf ihrem Gesicht lag dieser harte, unbeteiligte Ausdruck einer viel älteren Frau, die etwas tat, was sie hasste.
»Dreh dich um … gutes Mädchen«, sagte Joe. In seiner Stimme schwang freudige Erwartung mit. Das lange Haar reichte ihr bis zur Taille, und das Licht spielte über ihren herrlichen Körper.
Flynn stand hinter mir und hatte eine Hand auf meine Taille gelegt. Es fühlte sich gut an, zuverlässig und beruhigend, doch dann wurde sein Griff fester. Zweifellos stellte er sich vor, dass es ebenso gut seine Schwester hätte sein können, die hier stand. Ich versetzte ihm einen leichten Stoß mit dem Ellbogen. »Bitte nicht jetzt«, bat ich ihn. Ich spürte, dass er sich entspannte … aber nur ein bisschen.
Joe ist ein selbst ernannter Voyeur. Er würde nur gucken … sagt er zumindest. Es ist mir egal, solange das, was er anguckt, willig und mindestens über achtzehn ist.
Joe zuckte zusammen, als ich mir einen Stuhl heranzog und mich ihm gegenüber hinsetzte. Sein Blick glitt über mich und richtete sich dann auf Flynn, der hinter mir stand. Flynn stellte wahrscheinlich gerade seine grimmige, knallharte Miene zur Schau. Und bestimmt lag seine Hand ganz nah an seiner Waffe. Ziemlich Furcht einflößend … sogar für mich.
»Alles in Ordnung, Joe.« Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln. »Außer …« Ich deutete mit dem Kinn auf das Mädchen.
»Sie hat eine Geburtsurkunde dabei.« Joe schob mir ein Blatt über den Tisch zu.
Ich nahm es hoch und rechnete ein bisschen. »Und sie ist tatsächlich achtunddreißig Jahre alt?«
Joe beugte sich vor, riss mir das Blatt aus der Hand und hielt es sich dicht vors Gesicht. Der Mann konnte alles, was weiter entfernt war, gut sehen, weigerte sich aber, eine Brille zum Lesen aufzusetzen. Er sah sich den Zettel genau an, dann legte er ihn zurück auf den Tisch.
»Okay, Schätzchen«, sagte er. »Zieh dich an und komm nächstes Jahr wieder. Ich will keinen Ärger mit der da haben.« Er deutete auf mich. In seiner Stimme schwang Bedauern mit, aber kein Groll. Sie hatte ihm was gezeigt, also war es keine Verschwendung gewesen. Er zog ein Bündel mit Hundertdollarscheinen aus seiner Hemdtasche, nahm zwei Scheine und warf sie auf den Tisch. »Für deinen Zeitaufwand.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Sie zog sich schnell an, aber als sie nach der Geburtsurkunde greifen wollte, die auf dem Tisch lag, riss ich sie weg. »Hast du die gestohlen?«
Sie sah mir direkt in die Augen. Angezogen fühlte sie sich nicht mehr so verletzlich.
»Sie gehört meiner Mutter.« Leichter Trotz klang bei ihr durch. Irgendeine Notlage musste sie wohl hergetrieben haben. Ich zuckte zusammen, reichte ihr aber die Geburtsurkunde. »Du solltest Joes Geld nehmen, wenn du es brauchst. Er hat viel davon.«
Sie sah erst Joe an und dann
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