Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
treffen sollen.
Hammers Körper zuckte. Seine Muskeln spannten sich an und zerrten an den Fesseln, ehe er in sich zusammensackte und einen langen Seufzer ausstieß. Dann hob er wieder den Kopf. Nur dass es jetzt nicht mehr Hammer war, der mir gegenübersaß. So wie die Erdmutter mich aus Abbys Augen angeschaut hatte, wurde ich jetzt durch Hammers Augen angestarrt. Von etwas Fremdem und Schrecklichem.
Dann lachte dieses Etwas, und der Laut zerschnitt die Luft wie mit Klingen. Alles in mir wich erschreckt zurück. »Heilige Mutter.« Die Worte waren kaum mehr als ein Hauch.
Hammers Gesicht verzerrte sich zu einem bösartigen, unmenschlichen Grinsen. Als er sprach, trafen mich die Worte mit voller Wucht. »Heilige Mutter? Betest du etwa zu dieser Hure? Diesem dreckigen Weibsbild, das dich hervorgebracht hat? Blöde Schlampe. Ich erinnere mich an dich. Ich habe dich beobachtet. Du hast dein Kind im Steinkreis ins Feuer der Schlampe geworfen; hast ihr vor tausend Jahren dein Baby als Opfer dargebracht. Hübsches kleines Ding. Wie hieß sie noch gleich?«
Mein ganzer Körper wurde kalt. Eine Erinnerung schlängelte sich in meinen Kopf. War das wirklich meine Erinnerung? Nein, das konnte nicht sein. Doch ich hörte den Gesang, sah das Feuer. Astra, meine wundervolle Tochter, klammerte sich an mich und lachte, während ich mit ihr tanzte. Ihr Vater war gestorben, als er unser Dorf verteidigt hatte. Ich hatte ihn heiß und innig geliebt, und sie war mir so kostbar, denn sie war alles, was von dieser Liebe geblieben war. Drei Sommer hatte sie gesehen, und sie war so schön, dass man sie auserwählt hatte, um zur Erdmutter zu gehen. Als Opfer. Solch eine große Ehre. Erst im letzten Moment begriff sie, was geschah. Sie schrie. »Mutter, Mutter.« Ihre Stimme war voller Entsetzen, und ihre kleinen Arme klammerten sich an meinen Hals, aber man riss sie weg und …
»Cass!«, brüllte jemand. Ein Schlag traf mich, und ich taumelte. Dann hörte ich nur noch ein abartiges Lachen und höhnische Worte, die aus Hammers Mund kamen. »Wenn der dunkle Mond kommt, werden wir uns wiedersehen, Jägerin. Halte Ausschau nach mir.«
Von Entsetzen gepackt und mit schmerzendem Herzen ob des Verlusts brach ich schluchzend zusammen. Bin ich aus dem Grunde die Jägerin? , fragte ich mich. Warum empfinde ich diesen Zwang, die Kinder zu finden? Empfand ich Schuldgefühle wegen meiner Tat? Die Mutter hätte dieses schreckliche Opfer nie gefordert. Ich würde ihr nicht dienen, glaubte ich nicht an sie, an ihre Güte. Die Menschen glaubten an viele unterschiedliche Dinge, sodass der Glaube an die Erdmutter zu etwas geworden war, was spöttisch belächelt wurde. Der Schatten beeinflusste und veränderte mein Denken, wie er das auch schon bei anderen getan hatte. Ich hatte gedacht, dagegen gefeit zu sein, doch ich hatte unrecht gehabt. Trotzdem konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, der mich mit der Frage quälte, ob ich dieses vergangene Leben geführt hatte oder nicht. Hatte ich ein Kind gehabt? Und hatte ich aus Unwissenheit zugelassen, dass es ins Feuer geworfen worden war?
Nein! Nein! So etwas würde ich nicht tun. Ich könnte es gar nicht. Ich würde mein Kind lieben und beschützen. Das wusste ich.
Flynn half mir hoch, und ich klammerte mich an ihn. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich die Kraft eines anderen so sehr gebraucht wie jetzt.
Dacardi stand neben Hammer. Aus Hammers Mund und Nase strömte Blut. Er zuckte am ganzen Körper und bäumte sich gegen seine Fesseln auf. Er starb, als sich sein ganzer Leib ein letztes Mal verkrampfte. Danach löste sich die bedrückende Anspannung, die geherrscht hatte, und ich fühlte mich sehr klein und verletzlich, als würde ich mitten in einer riesigen Höhle stehen.
Dacardi atmete schwer. »Dieses … Wesen. Hat es meinen Sohn?« Er hatte die Hände ausgestreckt, als würde er um etwas bitten, irgendetwas, an dem er sich festhalten könnte. Immerhin hatte er begriffen, dass er es mit Besessenheit zu tun gehabt hatte.
Ich schluckte, doch ich musste ihm antworten. »Nein, seine Lakaien. Das war …« Der Schatten. Das waren die Barrows, die Gegend, über die er herrschte, sein Reich. Er besaß die Macht, seine Lakaien so zu benutzen, wie die Erdmutter es mit Abby tat.
Ich hustete trocken und heftig. »Ich brauche etwas Wasser. Ich werde versuchen, es zu erklären.«
Dacardi fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Sein kalter, dunkler Blick war voller Härte. »Führen Sie sie da rein.« Er sah
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