Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
einen Stau, der dafür sorgte, dass ich eine Stunde lang in einem vierzig Grad heißen Backofen ausharren musste. Deshalb waren Victor und seine Helfer in der Mission gerade mit der täglichen Ausgabe von Lunchpaketen und Wasserflaschen durch. Vic schnappte sich zwei Pakete, führte mich nach oben, wühlte in einem kleinen Kühlschrank herum und zog zwei Flaschen Cola heraus. Wir setzten uns an seinen Tisch und aßen zu Mittag. Ich hatte eigentlich keinen großen Hunger, aber er schien meine Gesellschaft wirklich zu genießen.
»Hast du herausgefunden, wo die Butcher Boys dein Mädchen untergebracht haben?«, fragte ich.
»Ja. Sie ist ihnen wieder weggelaufen und jetzt bei ihren Eltern zu Hause.«
Innerlich stieß ich einen Seufzer der Erleichterung aus. Ich musste Selene und Richard finden und hatte keine Zeit, mich wegen eines vermissten Mädchens mit den Butcher Boys anzulegen … auch wenn ich wusste, dass es ihm wichtig war.
Ich hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, alle Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen. Ein welterschütterndes Ereignis stand für den morgigen Abend des dunklen Mondes an, und ich hatte keine Ahnung, was das wohl sein könnte. Ich fühlte mich nicht für Pericles Therons Tod verantwortlich, doch sein Verschwinden würde bestimmt nicht ohne Auswirkung für die Barrows bleiben.
»Cassandra! Cass!« Vic hatte seine Hand auf meinen Arm gelegt.
»Was ist?« Ich zuckte zusammen und griff automatisch nach meiner Pistole, ehe ich feststellte, dass ich sie ja bei Abby gelassen hatte.
»Ich habe dich mehrfach angesprochen. Warst du so tief in Gedanken versunken? Es sieht dir gar nicht ähnlich, so abgelenkt zu sein.«
»Stimmt, aber sogar ich denke manchmal nach.« Ich lächelte, und der besorgte Ausdruck verschwand von seinem Gesicht. »Sag mal, Vic, wer meinst du, ist stärker? Pericles Theron und seine Bande oder die Bastinados?« Ich musste im Präsens sprechen. Denn bisher wussten nur sehr wenige, dass Theron tot war.
»Theron«, erklärte Vic mit fester Stimme. »Die Bastinados sind bösartig, manche auch intelligent, aber sie haben einen begrenzten Horizont, der mehr an persönlicher Macht interessiert ist und daran, das eigene Gebiet zu beschützen. Theron dagegen ist organisiert.«
Das war nicht das Bild, das ich von Theron hatte, aber ich irrte mich regelmäßig. »Und wenn es jemandem gelänge, die Bastinados zu organisieren? Ihnen Waffen gäbe, die sonst nur von Terroristen benutzt werden?«
Vic schüttelte sich.
»Ja. Genau dasselbe Gefühl habe ich auch dabei.«
»Ich habe gehört, dass die Polizei gestern ein ganzes Lagerhaus voller Waffen gefunden hat. Du meinst, dass sie dafür bestimmt waren? Dass irgendjemand dieses spezielle Übel organisiert?«
»Vielleicht«, erwiderte ich. »Vielleicht ist es aber auch nur Wunschdenken.«
»Über wie viel Macht müsste man verfügen, um solche Psychopathen wie die Bastinados zu organisieren? Sie zu kontrollieren. Du musst zugeben, dass das ein faszinierender Gedanke ist.«
»Faszinierend? Nein, aber dafür braucht es mehr ›Macht‹, als man sich mit Geld und Waffen kaufen kann.« Ich stand auf. Wie seltsam, dass ein so sanfter Mann die Vorstellung eher faszinierend denn erschreckend fand. Solch ein Krieg würde doch ihn und seine Mission zerstören.
»Ich muss los, Vic. Danke fürs Mittagessen.«
»Für altbackene Sandwiches und trockene Kekse? Du bist jederzeit gern wieder eingeladen, meine Liebe.« Er winkte mir freundlich zu. »Ich weiß, dass du es schon gar nicht mehr hören kannst, aber bitte sei vorsichtig.«
Ich blieb noch einmal stehen, ehe ich die Mission verließ, und sah nach Nirah. »Alles in Ordnung bei dir, Baby?«, fragte ich leise.
Nirah wand sich und streckte den Kopf aus der Tasche. Er lag genau zwischen meinen Brüsten. »Okay, mein Mädchen, dann mach dich mal bereit. Unser nächster Besuch wird nicht so einfach sein wie der bei Reverend Vic.«
Hätte mich jemand gebeten, meine Beziehung zu den Slum Devil Bastinados zu beschreiben, wäre meine Antwort gewesen: vorsichtig, sehr vorsichtig. Doch die Vorsicht ging nur von meiner Seite aus, denn der Gang war alles scheißegal. Sie tolerierten mich öfter mal, weil sie erstens wussten, dass ich auf meine Art genauso bösartig und gefährlich war wie sie, und zweitens, weil ich Big Devil Snag Shuster mal das Leben gerettet hatte. Eine ganze Horde Monster hatte Snag in die Enge getrieben, und ich hielt ihn irrtümlicherweise für einen anständigen
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