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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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finden müssen. Sie war mit dem Gesicht in den Dreck gedrückt worden. Zumindest hätten Reste der Streu und des Dungs unter den verbliebenen Fingernägeln sein müssen, darunter geraten, als sie versuchte, sich hochzustemmen. Aber da war nichts.
    Und obwohl ihre Kleidung auf eine Weise zerrissen war, die auf einen sexuellen Übergriff hindeutete, hatte man in oder an ihrem Körper kein Sperma gefunden. Der Beweis für eine Vergewaltigung war in der Tat minimal. Ein paar Abschürfungen an den Oberschenkeln und den Schamlippen, aber keine Verletzungen oder Risse in der Vagina. Möglicherweise hatte Jills Angreifer ein Kondom benutzt oder seine Erektion verloren und die Sache nicht beenden können. Oder der Vergewaltigungsversuch war ein nachträglicher Einfall, inszeniert, um einen Mord wie etwas anderes aussehen zu lassen.
    Landry hätte diese Informationen gegen Van Zandt verwenden können, bevor der Mann einen Anwalt verlangte, vor allem den offenbar fehlgeschlagenen Vergewaltigungsversuch. Er hätte Van Zandt bei seinem Ego packen, ihn aufziehen, ihn verspotten können. Van Zandt wäre explodiert. Der Mann war zu arrogant, seine Männlichkeit in Frage stellen zu lassen, zu arrogant, seine Wut im Zaum zu halten. Doch er war klug genug, einen Anwalt zu verlangen, und jetzt würde es keine Befragung, keine Verhöhnung, keine Verspottung mehr in Abwesenheit dieses Anwalts geben.
    Und wer war jetzt zu arrogant?
    Landry machte sich immer noch Vorwürfe, als Weiss aus dem Autopsieraum kam. Weiss, von New York hierher versetzt, war ein kleiner Mann, der zu viel Zeit im Fitnesszentrum verbrachte und daher einen Oberkörper hatte, der aussah, als sei er bis zur Unbequemlichkeit aufgeblasen. Das Syndrom kleiner Männer. Seine Arme konnten nicht vollkommen flach am Oberkörper liegen.
    »Was hältst du davon?«
    »Ich finde es sehr merkwürdig, dass ihre Fingernägel sauber waren«, sagte Landry. »Welcher Verbrecher tötet ein Mädchen an einem quasi öffentlichen Ort und nimmt sich dann die Zeit, ihre Fingernägel zu säubern?«
    »Ein cleverer.«
    »Einer, den es schon mal erwischt hat – oder der dazugelernt hat«, dachte Landry laut.
    »Einer, der die Sendungen im Discovery Channel sieht.«
    »Einer, der weiß, dass es Beweise gegeben hätte.«
    »Was bedeutet, dass sie ihn gekratzt hat«, meinte Weiss. »War an Van Zandt irgendwas zu sehen?«
    »Auf den ersten Blick nicht. Er trug einen Rollkragenpullover. An Jade konnte ich auch nichts entdecken. Wir werden uns die beiden nicht richtig vorknöpfen können, wenn wir keine handfesten Beweise liefern. Hast du schon was gehört, ob da nun Blut in der Box war oder nicht?«
    Weiss schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Es ist Samstagabend. Wenn Dr. Feinick nicht Besuch von seinen Schwiegereltern hätte, wäre die Autopsie nicht mal heute Abend durchgeführt worden.«
    »Ich glaube doch«, erwiderte Landry. »Das Management im Reiterzentrum hat einflussreiche Freunde. Die wollen die Sache so schnell wie möglich geklärt und vom Tisch haben. Mord ist schlecht für die Moral der Besucher.«
    »In Wellington wird niemand ermordet.«
    »Nein. Dafür muss man nach West Palm kommen.«
    »Was ist mit dem Angriff von neulich Nacht?«, fragte Weiss. »Als die Pferde freigelassen wurden. Glaubst du, da gibt’s einen Zusammenhang?«
    Landry runzelte die Stirn, dachte an die Blutergüsse auf Estes’ Rücken, die sie ihm an jenem Abend gezeigt hatte, obwohl er die da kaum wahrgenommen hatte. Er war zu verblüfft über die alten Narben und das Patchwork der Hautverpflanzungen gewesen.
    Sie war Donnerstagnacht verprügelt worden, hatte aber nichts von einem sexuellen Übergriff erwähnt. Sie hatte jemanden beim Freilassen der Pferde erwischt. Falscher Ort zur falschen Zeit. Jetzt fragte er sich, ob sie nicht einfach nur Glück gehabt hatte. Jill Morone war auch zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Nur zwei Zelte entfernt.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Was meinten die Sicherheitsleute dazu?«
    »Nichts. Denen zufolge passiert da so gut wie nie was Kriminelles. Hier und da mal ein Diebstahl. Nichts Ernstes.«
    »Nichts Ernstes. Jetzt haben sie was Ernstes. Estes sagte, ihr hätte der Wächter nicht gefallen, dem sie in der Nacht begegnet ist. Ich hab am nächsten Tag mit ihm gesprochen. Mir gefiel er auch nicht. Ich wollte ihn eigentlich überprüfen, aber dann –«
    »Estes?« Weiss sah ihn an, als hätte er nicht richtig gehört.
    »Das Opfer«, erläuterte

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