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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Stiefvater?«
    Tränen liefen ihr über die Wangen. »Er hasst mich so sehr.«
    »Erin? Wir müssen Ihnen ein paar Fragen zu dem stellen, was mit Ihnen passiert ist«, sagte Landry. »Glauben Sie, dass Sie jetzt dazu in der Lage sind? Wir wollen die Leute finden, die Ihnen das angetan haben. Je eher Sie uns davon erzählen, desto schneller können wir das tun. Verstehen Sie?«
    Sie antwortete nicht, sah ihm nicht in die Augen. Das war nicht ungewöhnlich. Landry wusste, dass sie kein Opfer sein wollte. Sie wollte nicht, dass irgendwas von dem Erlebten real war. Sie wollte keine Fragen beantworten müssen, die von ihr forderten, das Geschehene noch einmal zu durchleben. Sie war wütend und verlegen und schämte sich. Und es war Landrys Aufgabe, ihr alles aus der Nase zu ziehen.
    »Können Sie uns sagen, wer Ihnen das angetan hat, Erin?«, fragte er.
    Sie starrte mit zitternden Lippen vor sich hin. Die Tür zum Untersuchungszimmer öffnete sich, und sie begann heftiger zu weinen.
    »Er war das«, sagte sie und warf Bruce Seabright wütende Blicke zu. »Du hast mir das angetan! Du Drecksack!«
    Sie stemmte sich hoch und schleuderte die Flasche auf ihn. Wasser spritzte überall hin, als Bruce Seabright die Arme hob, um seinen Kopf zu schützen.
    Krystal schrie auf und eilte zu der Liege. »Erin! O Gott! Baby!«
    Landry erhob sich, als sich die Frau über die Liege werfen wollte. Erin zuckte zurück, kauerte sich am Kopfende der Liege zusammen, schaute ihre Mutter gekränkt, verärgert und mit einer Art Widerwillen an.
    »Geh weg!«, schrie sie. »Du hast nie was anderes getan, als dich mit ihm zu verbünden. Ich war dir immer völlig egal!«
    »Das stimmt doch gar nicht, Baby!«, rief Krystal.
    »Stimmt wohl! Warum hast du ihn nicht dazu gebracht, mir zu helfen? Hast du überhaupt irgendwas getan?«
    Krystal schluchzte, streckte die Arme nach ihrer Tochter aus, berührte sie aber nicht, als ob sich eine von ihnen oder beide innerhalb eines Kraftfeldes befänden. »Es tut mir Leid! Es tut mir Leid!«
    »Raus!«, schrie Erin. »Raus hier! Alle beide!«
    Ein Sicherheitsbeamter des Krankenhauses kam aus dem Flur herein. Landry packte Krystal an den Armen und führte sie zur Tür.
    Weiss verdrehte die Augen und murmelte: »Geht doch nichts über eine Familienzusammenführung.«

41
    Mollys Anruf kam direkt nach dem von Landry. Ich zog mich bereits an. Ich sagte ihr, ich würde ins Krankenhaus fahren, obwohl ich wusste, dass man mich nicht mal in die Nähe von Erins Zimmer lassen würde. Wenn Bruce Seabright mich entdeckte, würde man mich aus dem Gebäude eskortieren. Falls er den richtigen Einfluss bei den richtigen Leuten besaß und ein Richter ihm an einem Sonntagabend eine Unterlassungsverfügung ausgestellt hatte, könnte ich im Countygefängnis landen. Schließlich war ich gewarnt worden.
    Doch das hielt mich alles nicht davon ab, sofort loszufahren.
    Als ich ins Wartezimmer kam, rannte Molly auf mich zu. Sie war bleich vor Angst, die Augen leuchtend vor Aufregung. Der Widerspruch ergab sich einerseits aus der Erleichterung darüber, dass ihre Schwester in Sicherheit war, und andererseits aus der Besorgnis, was man Erin angetan hatte, dass sie ins Krankenhaus musste.
    »Hat Bruce dir tatsächlich erlaubt mitzukommen?«, fragte ich.
    »Natürlich nicht. Ich bin mit Mom gefahren. Die beiden haben Streit.«
    »Bravo, Mom«, murmelte ich und führte Molly zu den Bänken im Warteraum. »Worüber streiten sie sich?«
    »Mom gibt Bruce die Schuld daran, dass Erin verletzt wurde, Bruce sagt immer wieder, er hätte getan, was er für das Beste hielt.«
    Das Beste für Bruce, dachte ich.
    »Werden Sie mit ihr sprechen?«, fragte Molly.
    »Nicht so bald.«
    »Darf ich?«
    Armes Kind. Sie sah mich so hoffnungsvoll an, und doch so ängstlich vor der Enttäuschung. In diesem ganzen Schlamassel hatte sie niemanden außer mir. Für sie war die große Schwester, die sie so liebte, ihre einzige wirkliche Familie. Und wer wusste, wie weit die jetzige Erin noch der Erin glich, die Molly bis vor einer Woche zum Idol erhoben hatte. Nach allem, was ich in den letzten paar Tagen über Erin erfahren hatte, kam ich zu der Ansicht, dass Mollys Wahrnehmung ein Traum gewesen war, selbst noch bevor man Erin entführt hatte.
    Ich erinnerte mich, bei Mollys erstem Auftauchen gedacht zu haben, Molly Seabright würde lernen, dass das Leben voller Enttäuschungen ist. Sie würde die Lektion wie alle anderen lernen müssen: indem sie von jemandem im Stich

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