Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
gelassen wurde, den sie liebte und dem sie vertraute.
    Ich wünschte, ich hätte sie davor beschützen können. Aber ich konnte nur eines tun – nicht noch jemand sein, der sie im Stich ließ. Sie war zu mir gekommen, als niemand das hätte tun sollen, und hatte auf den Außenseiter gesetzt, vor dem ich Landry gewarnt hatte.
    »Ich weiß nicht, Molly«, sagte ich, legte meine Hand auf ihren Kopf. »Heute vermutlich nicht. Vielleicht in ein oder zwei Tagen.«
    »Glauben Sie, Erin ist vergewaltigt worden?«, fragte sie.
    »Möglich ist es. Die Ärztin wird sie untersucht und gewisse Proben entnommen haben –«
    »Abstriche«, unterbrach sie mich. »Ich weiß, was das ist. Ich seh mir New Detectives an. Wenn sie vergewaltigt worden ist, können die anhand der DNS-Proben einen Verdächtigen identifizieren. Außer er war besonders vorsichtig und hat ein Kondom benutzt und hat sie gezwungen, hinterher zu duschen. Dann haben sie gar nichts.«
    »Wir haben Erin«, gab ich zurück. »Nur darauf kommt es im Moment an. Vielleicht kann sie die Entführer identifizieren. Und selbst wenn nicht, kriegen wir diese Kerle, Molly. Du hast mich für diesen Auftrag engagiert. Ich werde nicht aufhören, bevor es vorbei ist. Und es ist erst vorbei, wenn ich es sage.«
    In dem Augenblick war das ein guter Spruch. Am Ende würde ich mir wünschen, das nicht so gemeint zu haben.
    »Elena?« Molly sah mit ihrem ernsten Gesicht zu mir auf. »Ich habe immer noch Angst. Selbst jetzt, wo Erin wieder da ist, hab ich noch Angst.«
    »Das weiß ich.«
    Ich legte ihr den Arm um die Schultern, und sie lehnte ihren Kopf an mich. Es war einer jener kurzen Momente, die ich für immer in Erinnerung behalten würde. Jemand, der sich von mir trösten ließ und den ich trösten konnte.
    Von irgendwo aus der Notaufnahme kamen ein Krachen und ein Schrei und eine Menge Gebrüll. Ich schaute den Flur entlang, der hinter dem Warteraum verlief, und sah Bruce Seabright rückwärts aus einer Tür kommen. Dann kam Landry aus demselben Zimmer, schob eine schluchzende, hysterische Krystal vor sich her.
    »Ich finde raus, was ich kann«, versprach ich Molly, wusste, dass es an der Zeit war zu verschwinden. »Ruf mich morgen früh an.«
    Sie nickte.
    Am Empfang vorbei ging ich zur Damentoilette und schlüpfte hinein, war mir sicher, dass Krystal auch gleich kommen würde. Eine halbe Minute später tauchte sie auf, weinend, Wimperntusche im Gesicht, der Lippenstift verschmiert.
    Sie tat mir Leid. Auf gewisse Weise war Krystal kindlicher als Molly. Ihr ganzes Leben hatte sie davon geträumt, einen angesehenen Ehemann, ein hübsches Heim und alles, was dazu gehört, zu haben. Sie hatte sich nie vorgestellt, dass es in einem Leben als Barbiepuppe dieselben Fallstricke gab wie in einem Leben in Armut. Ihr war sicherlich nie aufgegangen, dass ihre schlechte Männerwahl alle sozioökonomischen Grenzen überschritt.
    Sie lehnte sich gegen das Waschbecken und ließ den Kopf sinken, das Gesicht verzerrt vor emotionaler Qual.
    »Krystal? Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass ich es nicht konnte.
    Sie sah zu mir hoch, wischte sich mit der Hand Tränen und Rotz aus dem Gesicht. »Was machen Sie hier?«
    »Molly hat mich angerufen. Ich weiß, dass Erin wieder da ist.«
    »Sie hasst mich. Sie hasst mich, und ich kann es ihr nicht verdenken«, gestand sie, betrachtete sich im Spiegel und sprach zu ihrem Spiegelbild. »Alles ist zerstört. Alles ist zerstört!«
    »Sie haben Ihre Tochter wieder.«
    Krystal schüttelte den Kopf. »Nein. Alles ist zerstört. Was soll ich nur tun?«
    Ich hätte als Erstes mal Bruce Seabright vor den Scheidungsrichter gezerrt, aber ich bin ja auch der verbitterte, rachsüchtige Typ. Diesen Rat gab ich ihr lieber nicht. Zu welcher Entscheidung diese Frau auch kam, sie musste sie selbst treffen.
    »Erin gibt Bruce die Schuld«, sagte sie.
    »Sie nicht?«
    »Ja«, flüsterte sie. »Aber eigentlich ist es meine Schuld. Alles ist meine Schuld.«
    »Krystal, Ihr Leben geht mich nichts an«, begann ich. »Und Gott weiß, dass Sie mir wahrscheinlich nicht zuhören werden, aber ich sage es trotzdem. Vielleicht sind Sie an allem schuld. Vielleicht haben Sie Ihr Leben lang falsche Entscheidungen getroffen. Aber Ihr Leben ist noch nicht zu Ende, und Erins Leben ist nicht zu Ende, und Mollys Leben ist nicht zu Ende. Sie haben immer noch Zeit, etwas richtig zu machen.
    Sie kennen mich nicht«, fuhr ich fort, »daher können Sie nicht wissen, dass

Weitere Kostenlose Bücher