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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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verängstigter als heute Morgen, als ich dachte, ich müsse einen Mann erstechen, um mein Leben zu retten.
    Die Fahrt zu Seans Reitstall verlief ohne Zwischenfälle. Das Haupthaus lag im Dunkeln. Im Fenster von Irinas Apartment über dem Stall brannte Licht. Van Zandt lag nirgends auf der Lauer.
    Landry kam mit ins Gästehaus und sah sich um. Dann ging er zur Tür wie ein Gentleman und wartete wieder darauf, dass ich etwas sagte.
    Ich war nervös, kaute am Daumennagel, verschränkte die Arme. »Ich – äh – ich würde dich bitten zu bleiben, aber ich stecke irgendwie mitten in dieser Entführungsgeschichte …«
    »Verstehe«, sagte er, sah mich an, sein Blick sehr dunkel und eindringlich. »Ein andermal.«
    Falls ich darauf eine Antwort hatte, so blieb sie mir im Hals stecken. Und dann war er fort.
    Ich schloss die Tür ab, löschte das Licht, ging ins Schlafzimmer und zog mich aus. Ich duschte, wusch den Zigarettenrauch aus meinem Haar. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, stand ich lange vor dem Spiegel, betrachtete meinen Körper, betrachtete mein Gesicht; versuchte zu entscheiden, wen ich sah, wer ich geworden war.
    Zum ersten Mal seit zwei Jahren nahm ich mich als Frau wahr. Ich betrachtete mich und sah eine Frau statt eines Gespenstes, statt einer Maske, statt einer Hülle meiner Selbstverachtung.
    Ich schaute auf die Narben an meinem Körper, wo der Asphalt die Haut weggerissen hatte und neue Haut die Lücken füllte. Wie würde Landry reagieren, wenn ich ihm erlaubte, das volle Ausmaß der Verletzungen bei gutem Licht von nahem zu sehen? Mir gefiel das Gefühl nicht, ihm gegenüber schutzlos zu sein. Ich wollte glauben, dass er meinen Körper betrachten und nicht schockiert sein, kein Wort sagen würde.
    Die Tatsache, dass ich überhaupt darüber nachdachte, war für mich schon erstaunlich. Erfrischend. Ermutigend. Hoffnungsvoll.
    Hoffnung. Das, was ich nicht gewollt hatte. Aber ich brauchte sie. Ich brauchte sie für Erin, für Molly … für mich.
    Vielleicht, dachte ich, vielleicht war ich ja genug bestraft worden, und es weiter hinzuziehen, hatte möglicherweise keinen Zweck und wurde einfach zur selbstzerstörerischen Maßlosigkeit. Ich hatte bei diesem Fall nicht alles richtig gemacht, aber ich hatte versucht, mein Bestes für Erin Seabright zu geben, und das musste doch auch für etwas zählen.
    Ich ging ins Schlafzimmer, öffnete die Nachttischschublade und nahm das Fläschchen mit Schmerztabletten heraus. Mit einer seltsamen Mischung aus Schwindelgefühl und Angst trug ich die Tabletten ins Bad und schüttete sie auf dem Badezimmerschränkchen aus. Ich zählte sie, eine nach der anderen, wie ich es seit zwei Jahren fast jeden Abend getan hatte. Und ich ließ sie eine nach der anderen ins Klo fallen und spülte sie alle weg.

DRITTER AKT
    E RSTE S ZENE
     
    AUFBLENDE
     
    AUSSEN: SPÄTER ABEND – PARKPLATZRAND VOM EINKAUFSZENTRUM
     
    Der Parkplatz ist fast leer. Ein paar Autos stehen weiter vorne vor dem Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet ist. Die anderen Geschäfte sind dunkel.
     
    Das Mädchen läuft auf den Laden zu. Ihre Beine sind schwach und müde. Sie weint. Ihr Haar ist völlig verfilzt. Ihr Gesicht ist voll blauer Flecken. Auf ihren Armen sind rote Striemen.
     
    Sie entdeckt zwei Streifenwagen vom Palm Beach County, die nebeneinander parken, und schwenkt zu ihnen herum. Sie versucht, um Hilfe zu rufen, aber ihre Kehle ist trocken und ausgedörrt, und es kommt fast kein Ton heraus.
     
    Kurz vor dem Wagen stolpert sie und fällt auf Hände und Knie.
     
    MÄDCHEN
    Hilfe. Helft mir. Bitte.
    Sie weiß, dass der Deputy ihre geflüsterten Hilferufe nicht hören kann. Sie ist nur ein paar Meter von dem Wagen entfernt, aber sie hat keine Kraft mehr zum Aufstehen. Weinend liegt sie auf dem Asphalt. Der Polizist entdeckt sie und steigt aus dem Wagen.
     
    DEPUTY
    Miss? Miss? Fehlt Ihnen was?
     
    Das Mädchen schaut zu ihm auf, weint vor Erleichterung.
     
    Der Polizist kniet sich neben sie. Er ruft seinen Kollegen.
     
    DEPUTY
    Reeger! Ruf einen Krankenwagen!
    (dann, zu dem Mädchen)
    Miss? Können Sie sprechen? Können Sie mir
    Ihren Namen nennen?
     
    MÄDCHEN
    Erin. Erin Seabright.
     
    ABBLENDE

40
    »In welcher Verfassung ist sie?«, fragte Landry, als er die Notaufnahme des Palm West Hospital betrat. Der Deputy, der Erin Seabright eingeliefert hatte, trabte neben ihm her.
    »Jemand hat sie brutal zusammengeschlagen, aber sie ist bei Bewusstsein und kann sprechen.«
    »Sexueller

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