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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Landrys Auto parkte gegenüber von meinem auf dem unteren Parkplatz.
    »Ich kenne keine Cops mit Treuhandvermögen«, sagte er.
    »Denken Sie sich nichts dabei, Landry. Außerdem erinnern Sie mich ja nur zu gerne daran, dass ich kein Cop mehr bin.«
    »Sie haben keine Dienstmarke«, schränkte er ein.
    »Ah, soll ich mich geschmeichelt fühlen oder war das ein zweideutiges Kompliment?«, fragte ich, als wir unsere Autos erreichten.
    »Denken Sie sich nichts dabei, Estes«, erwiderte er mit einem leichten Lächeln.
    »Na gut, dann bin ich eine Lady und danke Ihnen trotzdem.«
    »Warum sind Sie Polizistin geworden?«, fragte er. »Sie hätten alles werden oder nichts tun können.«
    Ich sah mich um, während ich darüber nachdachte, wie ich ihm antworten sollte. Die Nacht war fast schwül, das Mondlicht schien weiß durch den Dunst. Der Geruch von Grünpflanzen, nasser Erde und exotischen Blumen erfüllte die Luft.
    »Ein Freudianer würde gähnen und Ihnen sagen, meine Wahl sei eine offensichtliche Rebellion gegen meinen Vater gewesen.«
    »War sie das?«
    »Ja, aber es steckte noch mehr dahinter«, gab ich zu. »Ich hab schon ziemlich früh mitbekommen, dass mein Vater Justitia wie eine Gummipuppe verbog und sie an den Meistbietenden verkaufte. Darum dachte ich, jemand müsse sein Gewicht in die andere Waagschale werfen, sich bemühen, die Dinge auszugleichen.«
    »Warum sind Sie dann nicht Staatsanwältin geworden?«
    »Zu viel Struktur. Zu viel politisches Gemauschel. Sie wären sicher nie drauf gekommen, aber Diplomatie und Arschkriecherei stehen nicht auf der Liste meiner Talente. Außerdem erleben Staatsanwälte nicht so nette Sachen wie Schießereien und Prügeleien.«
    Er lachte nicht. Er betrachtete mich auf eine Weise, bei der ich mir nackt vorkam.
    »Nicht ganz leicht, aus Ihnen schlau zu werden, Estes«, murmelte er.
    »Ja, das stimmt.«
    Ich meinte es nicht so wie er. Im Laufe einer Woche war mir die Verbindung dazu, wer ich wirklich war, verloren gegangen. Ich fühlte mich wie ein Wesen, das aus einem Kokon hervorkroch, ohne recht zu wissen, in was mich die Metamorphose verwandelt hatte.
    Landry berührte mein Gesicht, die linke Seite – auf der Gefühl mehr eine vage Erinnerung als wirklich spürbar war. Es schien irgendwie zu passen, dass er mich nicht richtig berühren konnte, dass ich mir nicht zugestehen konnte, es auf die tatsächliche, nervenerschütternde Weise zu spüren wie einst. Da ich schon so lange niemandem erlaubt hatte, mich zu berühren, hätte ich es wohl nicht anders ertragen können.
    Ich hob das Kinn und sah ihm in die Augen, fragte mich, was er in meinen sah. Dass ich mich verletzlich fühlte und mir das nicht gefiel? Dass ich Erwartung verspürte und mich das entnervte? Dass ich ihm nicht ganz traute, aber die Anziehung trotzdem fühlte?
    Landry beugte sich zu mir vor und legte den Mund auf meinen. Ich ließ den Kuss zu, erwiderte ihn, jedoch mit einer Schüchternheit, die nicht zu mir zu passen schien. Aber die Wahrheit war, dass die Elena, die in diesem Augenblick hier stand, nie geküsst worden war. Die Erfahrungen meines Ichs vor dem Exil waren so fern, dass sie mir vorkamen wie etwas, das ich mal in einem Buch gelesen hatte.
    Er schmeckte nach Kaffee und einem Hauch Zigarette. Sein Mund war warm und fest. Entschlossen, dachte ich. Nett. Aufregend.
    Ich fragte mich, was er empfand, ob er mich für teilnahmslos hielt, ob er sich darüber wunderte, wie mein Mund reagierte – oder nicht reagierte. Ich fühlte mich befangen.
    Meine flache Hand ruhte auf seiner Brust. Ich spürte seinen Herzschlag und überlegte, ob er spürte, wie meines raste.
    Er hob den Kopf und sah mich an. Wartete. Wartete. Wartete …
    Ich überbrückte das Schweigen nicht mit einer Einladung, obwohl ein Teil von mir das sicherlich wollte. Diesmal dachte ich nach, bevor ich handelte. Ich dachte, ich würde es vielleicht bereuen, aber während ich dreist genug war, mit einem Mörder zu spielen und mich der Autorität des FBI zu widersetzen, fehlte mir hierzu der Mut.
    Landrys Mundwinkel hoben sich, als er all diese Dinge, die ich nicht auf die Reihe brachte, von meinem Gesicht abzulesen schien. »Ich fahr dir auf dem Heimweg nach«, sagte er. »Um sicherzugehen, dass Van Zandt nicht auf dich wartet.«
    Ich sah weg und nickte. »Danke.«
    Ich hatte Angst, ihn anzusehen, Angst, ich würde den Mund öffnen und ihn bitten, die Nacht mit mir zu verbringen.
    Ich wandte mich ab und stieg in mein Auto, war jetzt

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