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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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technisierten Ausrüstung im Labor sehr viel besser auswerten können. Trotzdem konnte ich, während ich das Band Sekunde für Sekunde durchlaufen ließ, alles gut sehen. Die Kamera war bei der gesamten Aufnahme fast ausschließlich auf Erin gerichtet, die nicht mehr als zwei bis drei Meter davon entfernt zu sein schien. Ich konnte erkennen, dass ihr Haar mit einer Spange zusammengehalten wurde, dass sie ein enges rotes T-Shirt trug, unter dem ihr flacher Bauch zu sehen war. Ihre Jeans hatten einen kleinen weißen Fleck auf dem einen Bein.
    Als ihr Angreifer sie am Arm packte, war zu erkennen, dass sie eine Armbanduhr trug. Aber das eine, was ich so verzweifelt sehen wollte, war nicht da.
    Ich tigerte wie eine gefangene Katze im Gästehaus auf und ab und dachte an die Menschen, die mit Erins Leben zu tun hatten: Bruce, Van Zandt, Michael Berne, Jill Morone, Trey Hughes, Paris Montgomery. Ich wollte, dass Bruce schuldig war. Ich wusste, dass Van Zandt ein Mörder war. Michael Berne hatte ein Motiv, Don Jade zu ruinieren, aber Entführung ergab keinen Sinn. Jill Morone war tot. Alle kreisten sie um Trey Hughes. Und dann war da noch Paris Montgomery.
    Paris und ihre zweideutige Loyalität gegenüber Don Jade. Sie hatte durch Jades Ruin genauso viel zu gewinnen wie Michael Berne – sogar mehr. Seit drei Jahren hatte sie mit ihrem Covergirl-Lächeln, ihrer Vorliebe für teure Dinge und ihrem Hunger nach Rampenlicht in Jades Schatten gestanden. Sie hatte sich um sein Leben gekümmert, hatte seinen Reitstall geführt, hatte Jade abgeschirmt.
    Ich dachte an die kleinen, zerstörerischen »Wahrheiten«, die Paris über Stellars Tod hatte einfließen lassen, selbst während sie Don Jade mir gegenüber verteidigte. Wenn sie mit mir darüber sprach, welche subtilen Zweifel säte sie dann jedes Mal, wenn sie mit Trey Hughes schlief?
    An dem Morgen, als Jill Morones Leiche gefunden wurde, hatte Paris Javiers Säuberung des Tatorts überwacht. Noch während sie mit dem Versicherungsvertreter über den Schaden an Jades Kleidung und persönlichen Dingen sprach, hatte sie Javier das Durcheinander aufräumen lassen. Jetzt fragte ich mich, ob die Nachricht von Jills Tod für Paris tatsächlich eine Überraschung gewesen war.
    Ich dachte an die angebliche Vergewaltigung und Landrys Gefühl, dass sie möglicherweise vorgetäuscht war. Ich dachte an Jills vergrabene Leiche in der Mistgrube bei Stall vierzig, wo sie mit Sicherheit gefunden werden würde. Und als sie gefunden wurde, wer wurde da als Erster verdächtigt? Don Jade.
    Seine Kunden mochten ein paar Skandale hinnehmen, aber den Mord an einem Mädchen? Nein. Entführung? Nein. Und mit einem aus dem Verkehr gezogenen Jade und nur wenigen wohlhabenden Kunden, die an ihn glaubten, wer hatte dann das meiste zu gewinnen? Paris Montgomery.
    Ich rief Landry an und sprach ihm eine Nachricht auf Band. Dann schaltete ich den Fernseher aus und verließ das Haus.
    Irina lag beim Stall in einem Bikinioberteil und knappen Shorts auf einer Liege, die Augen hinter einer großen dunklen Sonnenbrille verborgen.
    »Irina«, rief ich ihr auf dem Weg zu meinem Auto zu, »wenn Tomas Van Zandt hier aufkreuzt, ruf die Polizei. Er wird wegen Mordes gesucht.«
    Sie winkte mir lässig zu und drehte sich auf den Bauch, um ihren Rücken zu bräunen.
    Ich fuhr zum Turniergelände, zu Jades Stall, wollte mich noch einmal mit Javier unterhalten. An einem Montag bestand eher die Chance, dass er nicht bei einem Gespräch mit mir erwischt wurde. Die Ställe waren geschlossen. Es bestand kein Grund, dass Trey Hughes oder Paris auftauchen würden. Vielleicht war Javier so eher bereit, mir zu erzählen, was er wusste.
    Aber bei Jades Boxen war niemand. Die Boxen waren nicht ausgemistet worden, und die Pferde stampften unruhig, wollten ihr Futter. Es sah so aus, als hätte man sie völlig allein gelassen. Die Gänge waren der reinste Hindernisparcours aus Mistgabeln, Rechen, Besen und umgeworfenen Mistkübeln. Als wäre jemand in großer Eile hier durchgerannt.
    Ich plünderte Jades Futterbox und warf jedem Pferd eine Ladung Heu hin.
    »Sieh einer an. Jetzt tun Sie auch noch so, als seien Sie Pferdepflegerin?«
    Ich schaute mich um und sah Michael Berne in Jeans und Polohemd am Ende des Zeltes stehen. Er wirkte glücklicher, als ich ihn seit Beginn des ganzen Schlamassels gesehen hatte. Entspannt. Sein Rivale saß im Gefängnis, und in Bernes Welt war wieder alles in Ordnung.
    »Ich bin eben ein Multitalent«,

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