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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Erins Tortur, ungeachtet des Ursprungs oder Motivs dessen, was geschehen war, hatte Bruce Seabright eine verwerfliche Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Leben an den Tag gelegt.
    Ich dachte an das Band, auf dem Erin geschlagen wurde, das ich nicht gesehen, aber das mir Landry als brutal beschrieben hatte. Auge um Auge, Bruce, dachte ich.
    Ich drückte auf Play für das Band, das ich hatte.
    Wie oft hatte ich es mir schon angeschaut? Ich wusste es nicht. Oft genug, um jede Einzelheit darauf zu sehen, und doch fühlte ich mich genötigt, es noch mal abzuspielen und auf Dinge zu achten, die ich nicht gesehen hatte, nicht sehen konnte, nicht sehen wollte. Wieder und wieder, und immer noch beunruhigte mich etwas, nagte ein Gefühl am Rande meines Bewusstseins und ein weiteres, das ich noch nicht benennen konnte.
    Der Bus kommt. Erin steht da.
    Der Bus hält an. Erin steht da.
    Ein Maskierter springt heraus. Erin sagt: »Nein!«
    Sie versucht wegzulaufen.
    Ich drückte auf Pause, ließ das Bild stehen. Ein grob gekörntes graues Band zog sich über die Gesichter von Erin und ihrem Angreifer. Ohne ihren Gesichtsausdruck oder seine Maske erkennen zu können, konnte die Einstellung jede Bedeutung haben. Aus dem Zusammenhang gerissen, hätten die beiden ein Liebespaar sein können, die einander aus lauter Spaß jagten. Sie hätten vor einer Katastrophe weglaufen oder hinrennen können, um andere zu retten. Ohne Gesichter waren es nur zwei Torsi in ausgebleichten Jeans.
    Erins träge Reaktion machte mir zu schaffen. War es Unglaube? War es Furcht? Oder etwas anderes?
    Ich ließ das Band weiterlaufen, sah, wie der Mann sie grob von hinten packte und herumwirbelte. Sie trat ihn mit aller Kraft. Er schlug ihr mit dem Handrücken so brutal ins Gesicht, dass sie fast hinfiel.
    Entsetzlich. Absolut entsetzlich. Gewalt, die total real war. Das konnte ich nicht leugnen.
    Ich sah, wie er sie von hinten zu Boden warf und ihr Gesicht in den Dreck drückte. Ich sah, wie er ihr die Nadel in den Arm stieß. Ketamin. Special K. Beliebte Droge bei Leuten, die auf Raves gingen, Mädchen beim ersten Kennenlernen vergewaltigten und üblich in Kleintierpraxen.
    Erin hatte es schon früher als Partydroge genommen. Sie hatte Landry selbst gesagt, dass die Entführer diese Droge bei ihr eingesetzt hatten. Wie hätte sie das wissen können, wenn ihre Peiniger sie nicht freundlicherweise darüber aufgeklärt hätten, wenn sie nicht aus eigener Erfahrung über die Droge Bescheid wusste?
    Ich dachte an die Dinge, die Erin Landry erzählt hatte, an die Dinge, die sie ihm nicht erzählt hatte, die Teile ihrer Geschichte, die nicht zu demselben Puzzle passten.
    Sie war sich sicher, dass Jade einer der Entführer war, aber tatsächlich gesehen hatte sie ihn nie. Sie war sicher, dass er es war – der Mann, in den sie verknallt war, der Mann, für den sie angeblich mit Chad Schluss gemacht hatte. Und doch glaubte sie, ohne sein Gesicht je gesehen zu haben, dass er sie auf so brutale Weise behandelt hatte. Warum? Warum glaubte sie das? Weshalb sollte er ihr das antun?
    Und obwohl sie sich wegen Jade vollkommen sicher war, hatte sie nicht die geringste Ahnung, wer sein Partner sein könnte.
    Dann, nachdem ihre Entführer sie vergewaltigt, geschlagen, unter Drogen gesetzt und trotz all ihrer Bemühungen kein Lösegeld bekommen hatten, war Erin nur rumgefahren und freigelassen worden. Einfach so. Und sie hatten sie nicht nur laufen lassen, sondern ihr auch ihre Kleidung zurückgegeben, sogar ihr Armband.
    Ich glaubte ihr nicht. Ich glaubte ihr die Geschichte nicht, und ich hätte alles gegeben, dieses instinktive Gefühl zu ändern. Ich wollte meinen Instinkten nicht trauen, wie ich ihnen schon seit dem Tag, an dem Hector Ramirez umgekommen war, nicht mehr getraut hatte. Welche Ironie, dass ich durch diesen Fall den Glauben an mich selbst wieder gefunden hatte, und trotzdem wäre mir nichts lieber gewesen, als mich zu irren.
    Ich dachte an Molly und wünschte, ich hätte weinen können.
    Ich hätte darum gebetet, mich geirrt zu haben, aber ich hatte nie daran geglaubt, dass mir eine höhere Macht überhaupt zuhören würde.
    Mir war fast schlecht, aber ich spulte das Band zurück und zwang mich, es erneut anzuschauen, diesmal in Zeitlupe, damit ich es noch genauer prüfen konnte, nach etwas suchen konnte, von dem ich befürchtete, es nicht zu finden.
    Meine Video-Anlage war von durchschnittlicher Qualität. Landry würde das Band mit all der hoch

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