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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, dass die Drogenfahndung nichts lieber tut, als ihre Krallen in einen Jungen mit Geld und Verbindungen zu schlagen. Und was ist, wenn man Ihren Vater wegen der Beziehung befragt? Das wär doch sicher ein Spaß …«
    Er drehte sich zu mir um und hob die Hände, als bedrohte ich ihn mit der Waffe. »Schon gut! Schon gut. Himmel, Sie sind ja eine ganz Zähe, Lady«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Ich wartete.
    »Also gut«, wiederholte er und seufzte. »Erin und ich waren zusammen. Ich dachte, da wär was zwischen uns, aber ihr bedeutete es nichts. Sie hat Schluss gemacht. Das ist alles. Mehr gibt’s nicht. Nichts mit Drogen oder Deals oder sonst was. Das ist alles. Sie hat mit mir Schluss gemacht.«
    Er zuckte mit den Schultern und ließ die Arme sinken, schlaff, das Geständnis hatte ihm alle Kraft geraubt. Mit sechzehn oder siebzehn ist das männliche Ego äußerst zerbrechlich.
    »Hat sie einen Grund dafür angegeben?«, fragte ich leise. »Ich würde Sie nicht damit belästigen«, setzte ich hinzu, als seine Anspannung wieder stieg, »aber dort, wo Erin gearbeitet hat, ist etwas passiert und jetzt ist sie nirgends zu finden.«
    »Steckt sie in Schwierigkeiten?«
    »Keine Ahnung.«
    Er dachte kurz nach. »Sie sagte, es gäbe einen anderen. ›Einen Mann‹, hat sie gesagt. Als wär ich zwölf oder so.« Angewidert schüttelte er den Kopf.
    »Hat sie gesagt, welcher Mann?«
    »Ich hab nicht gefragt. Ich meine, warum sollte mich das interessieren? Ich weiß, dass sie was für ihren Chef übrig hatte, aber der muss doch schon an die fünfzig sein …«
    »Hat sie Ihnen erzählt, ob sie irgendwo hin wollte? Hat sie was über einen Jobwechsel oder einen Umzug gesagt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Sie hat nichts davon gesagt, dass sie nach Ocala will?«
    »Ocala? Was soll sie da?«
    »Ihr Chef sagt, sie hat bei ihm gekündigt und ist nach Ocala gezogen, weil sie da einen neuen Job hat.«
    »Das ist mir neu«, sagte er. »Nein. Das würde sie nie tun. Es ergibt keinen Sinn.«
    »Danke für die Information.« Ich zog eine Visitenkarte aus der Tasche, auf die ich meine Telefonnummer gekritzelt hatte. »Wenn Sie von ihr hören, würden Sie dann diese Nummer anrufen und eine Nachricht hinterlassen?«
    Chad nahm die Karte und sah sie sich an.
    Ich setzte mich in meinen Wagen, blieb noch eine Weile in der Einfahrt der Seabrights und betrachtete die Umgebung. Ruhig, schön, teuer; ein Golfplatz hinter den Gärten. Der amerikanische Traum.
    Ich dachte an die Seabrights. Wohlhabend, erfolgreich; neurotisch, streitsüchtig, brodelnd vor geheimem Groll. Der amerikanische Traum im Zerrspiegel.
     
    Ich parkte vor der Schule, zusammen mit all den anderen Müttern. In einem Ballett hätte ich mich mindestens genauso fehl am Platz gefühlt. Kinder strömten aus den Türen, auf dem Weg zu den Schulbussen oder den mütterlichen Autos.
    Von Krystal Seabright war nichts zu sehen, was ich auch nicht erwartet hatte. Mir war klar, dass Molly nur ein kleiner Mensch war, der zufällig im selben Haus wohnte wie Krystal. Molly hatte sich durch schieres Glück, durch Selbsterhaltung oder durch anspruchsvolle Fernsehprogramme so entwickelt, wie sie war. Sie hatte wahrscheinlich das ganze Drama, die Rebellion und die elterlichen Konflikte in Erins Leben beobachtet und sich bewusst für die andere Richtung entschieden, um Anerkennung zu finden.
    Komisch, dachte ich, Molly Seabright war vermutlich genauso, wie meine kleine Schwester gewesen wäre, hätte ich eine gehabt. Meine Eltern hatten mich adoptiert und danach die Segel gestrichen. Ich war für sie schon mehr als genug. Tja, Pech gehabt. Das Kind, das aus meinen Fehlern gelernt hätte, wäre wahrscheinlich genau die Tochter gewesen, die sie sich von Anfang an gewünscht hatten.
    Als ich Molly aus der Schule kommen sah, stieg ich aus. Sie entdeckte mich nicht gleich, ging mit gesenktem Kopf, zog ihre kleine Büchertasche hinter sich her. Obwohl sie von anderen Kindern umgeben war, wirkte sie einsam, ganz in Gedanken verloren. Ich rief sie, als sie abbog und die Straße hinuntergehen wollte. Bei meinem Anblick erhellte sich ihr Gesicht mit vorsichtiger Erwartung.
    »Haben Sie sie schon gefunden?«, fragte sie.
    »Nein, noch nicht. Ich hab den Tag damit verbracht, eine Menge Fragen zu stellen. Sie könnte in Ocala sein«, sagte ich.
    Molly schüttelte den Kopf. »Sie wäre nicht umgezogen, ohne es mir zu sagen, ohne mich anzurufen.«
    »Erin erzählt dir

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