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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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und gehofft, die Luft würde meinen Kopf frei machen. Stattdessen hatte mir die Sonne auf den Schädel gebrannt und der Fahrwind mein Haar so verstrubbelt, dass ich ohne weiteres bei Modeaufnahmen für die auf tragische Weise Hippen hätte mitmachen können. Ich wollte einen Drink und ein Nickerchen in der Sonne am Pool, aber ich wusste, dass ich mir beides nicht erlauben konnte.
    Sean beugte sich herunter und küsste mich auf die Wange. Er trug Reithosen und Stiefel, ein enges schwarzes T-Shirt mit hochgerollten Ärmeln, um seinen Bizeps in der Größe einer Grapefruit zur Geltung zu bringen.
    »Robert muss wohl gleich zum Unterricht kommen«, bemerkte ich.
    »Warum sagst du das?«, fragte er gereizt.
    »Das Muskelshirt. Liebling, du bist wirklich leicht zu durchschauen.«
    »Mein Gott, sind wir aber heute wieder boshaft.«
    »Das bin ich immer, wenn ich ordentlich verprügelt wurde.«
    »Du hast es bestimmt verdient. Lad mich beim nächsten Mal ein. Ich würde zu gerne zuschauen.«
    Wir gingen zusammen über den Stallhof zum Gästehaus. Sean betrachtete mich aus dem Augenwinkel und runzelte die Stirn.
    »Geht’s dir gut?«
    Ich überlegte mir die Antwort lange und gründlich, statt wie üblich gedankenlos zu reagieren. Was für ein merkwürdiger Augenblick, eine Einsicht zu haben, dachte ich. Aber trotzdem gab ich es vor mir selbst zu.
    »Ja«, sagte ich. »Es geht mir gut.«
    So verworren und anstrengend dieser Fall sich entwickelte und so unwillig ich am Anfang gewesen war, es tat doch gut, die alten Fähigkeiten wieder einzusetzen. Es tat gut, zu etwas brauchbar zu sein.
    »Schön«, meinte Sean. »Dann pudre dir jetzt die Nase und verwandle dich wieder, Aschenputtel. Dein Alter Ego bekommt Gesellschaft.«
    »Wen denn?«
    »Van Zandt.« Er spuckte den Namen aus, als sei es etwas Bitteres mit einem Kern. »Sag nicht, dass ich mich nicht für dich aufopfere.«
    »Meine eigene Mutter könnte nicht mehr für mich tun.«
    »Das kannst du glauben, Herzchen. Deine Mutter würde den Kotzbrocken nicht mal durch den Dienstboteneingang reinlassen. Noch zwanzig Minuten, bevor sich der Vorhang hebt.«
     
    Ich duschte und zog eine der Kombinationen an, die ich auf dem Turnierplatz gekauft hatte: einen knallroten Wickelrock aus einem alten Sari und eine gelbe Leinenbluse. Einen Haufen Armbänder ums Handgelenk, ein Paar dicksohlige Sandalen und eine perlmutterfarbene Sonnenbrille, und ich war wieder Elle Stevens, Dilettantin.
    Van Zandt traf gerade ein, als ich durch die Ställe zum Parkplatz ging. Er war wie ein Palm-Beach-Patriarch angezogen: rosafarbenes Hemd, hellbraune Hose, blauer Blazer und eine Schalkrawatte um den Hals.
    Er erblickte mich und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Mein lange verlorener alter Freund.
    »Elle!«
    »Z.«
    Ich ließ seine Wangenküsserei über mich ergehen, stemmte mich mit den Händen gegen seine Brust, damit er mich nicht umarmen konnte.
    »Dreimal«, erinnerte er mich und trat zurück. »Wie die Holländer.«
    »Klingt für mich wie eine Ausrede fürs Grapschen.« Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Alter Lustmolch. Von welchen Kulturen stehlen Sie noch, um ein Fummeln hinter guten Manieren zu verbergen?«
    Er lächelte sein ölig-samtiges Lächeln. »Das hängt von der jeweiligen Dame ab.«
    »Und ich dachte, Sie wären gekommen, um sich meine Pferde anzusehen«, mischte sich Sean ein. »Bin ich nur ein Bart?«
    Van Zandt schaute ihn verwirrt an. »Ein Bart? Aber Sie haben ja nicht mal einen.«
    »Das ist nur so eine Redewendung, Z.«, erklärte ich. »Sie müssen sich erst an Sean gewöhnen. Seine Mutter hat ihn als Kind in einen Schauspielkurs geschickt. Er kann nichts dafür.«
    »Ah ja. Ein Schauspieler.«
    »Sind wir das nicht alle?«, fragte Sean unschuldig. »Ich habe meine Pferdepflegerin gebeten, Tino zu satteln – den Wallach, von dem ich Ihnen erzählt hatte. Ich möchte achtzig Tausend für ihn haben. Er ist talentiert, aber ich habe zu viele davon. Wenn Sie einen Kunden hätten …«
    »Gut möglich«, erwiderte Van Zandt. »Ich habe meine Kamera mitgebracht. Ich mache ein Video, das ich einer Kundin schicke, die aus Virginia herkommt. Und wenn Sie nach frischem Blut suchen, zeige ich Ihnen gerne die besten Pferde in Europa. Bringen Sie Elle mit. Wir werden eine wunderbare Zeit haben.«
    Er warf einen Blick auf meinen Rock. »Sie reiten heute nicht, Elle?«
    »Hab mich gestern zu sehr verausgabt«, sagte ich. »Muss mich erst erholen. Sean und ich waren auf

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