Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Wellen, und seine Männer blickten, genauso wie er, schweigend hinüber zu der brennenden Galeere. Die Schreie der Rudersträflinge waren inzwischen verstummt, was wohl hieß, dass die, die nicht verbrannt waren, vom Gewicht ihrer Ketten in die Tiefe gezogen worden waren.
» Glaube nicht, dass da noch einer lebt«, sagte einer der Männer und griff nach dem Ruder. Aber schrie da nicht noch jemand? Nein, Baaks Sinne spielten ihm nur einen Streich. Der Kapitän musterte im Feuerschein die Gesichter seiner Gefährten. Fünf Männer hatte er einweihen dürfen, denn ohne sie wäre es nicht gegangen. Sie hatten Öl und schwarzes Pulver an den richtigen Stellen verteilen müssen, die Lunte legen und dann schnell zünden, sobald das Schiff auf das Riff gelaufen war. Die Explosion und das Feuer hatten der Galeere rasch den Todesstoß gegeben. Sepe Baak hatte noch nie ein Schiff verloren. Doch jetzt war das Meer übersät mit den brennenden Zeugnissen seiner Untat.
Sie saßen zu viert im Boot, was bedeutete, dass zwei Männer fehlten, wenn er Jamad nicht mitzählte – Jamad, den jungen Mann, der ihm den Auftrag und den Beutel überbracht hatte, den Beutel voller Edelsteine, der jetzt wie ein Mühlstein an Baaks Hals hing. » Asker und Halem?«, fragte er heiser.
Kopfschütteln. » Die waren im Bug, haben das Öl ausgekippt. Waren wohl zu langsam.«
» Warte – da!« Einer der Männer wies ins Wasser. Ein Schwimmer, ein dunkler Kopf vor dem Feuer, teilte das Wasser und hielt auf sie zu. Baak kniff die Augen zusammen. War das einer von seinen Leuten, oder war das jemand, den sie töten mussten, nachdem er sich schon fast gerettet glaubte?
» Asker, hierher!«, brüllten seine Männer. Acht Hände streckten sich dem Schwimmer entgegen, aber als sie ihn an Bord zogen, bemerkten sie ihren Irrtum. Es war nicht ihr Gefährte, es war Jamad. Kapitän Baak starrte ihn ungläubig an. Er war sich sicher gewesen, dass er Asker im Wasser gesehen hatte. Aber vielleicht hatte er ihn auch nur sehen wollen.
Jamad nahm im Heck des kleinen Beibootes Platz, dort, wo eigentlich der Platz des Kapitäns war. Er schüttelte das Wasser aus seinen Haaren, blickte kühl von einem zum anderen, bis sein Blick beim Kapitän hängen blieb: » Sagtet Ihr nicht, wir würden das Riff erst gegen Morgengrauen erreichen?«
» Waren schneller als gedacht«, murmelte Baak und wich dem Blick des jungen Mannes aus.
Jamad zuckte mit den Achseln. » Jetzt ist es nicht mehr zu ändern. Worauf wartet ihr? Greift in die Ruder. Wir sind hier fertig, oder seht ihr hier noch ein Schiff, das ihr versenken könnt?«
Keiner der Männer rührte sich. Die Flammen hatten das Öl inzwischen fast verzehrt, und allmählich erloschen sie auch auf den treibenden Holztrümmern. Die Sträflinge, die Matrosen und die Prinzen von Atgath mit ihren Familien, sie ruhten alle auf dem Meeresgrund.
Sepe Baak nickte schließlich. Hier gab es nichts mehr zu tun. » An die Riemen, Männer. Nach Felisan ist es weit, und die Strömung ist gegen uns.«
Als sie davonruderten, war dem Kapitän wieder, als ob er über dem Knarren der Riemen und dem Wellenschlag leise Rufe oder das leise Weinen eines Kindes hören würde. Aber das war wohl nur der Wind. Er presste den schweren Beutel an die Brust und befahl den Männern, schneller zu rudern.
Nun war er doch wieder dort angekommen, wo er aufgebrochen war. Der Namenlose presste sich an die Wand seines Versteckes und blickte hinüber zum Treffpunkt, den er mit seinem geheimnisvollen Freund vereinbart hatte. Er hatte eine kleine Ewigkeit gebraucht, um herzukommen, denn überall waren Menschen, die nach ihm Ausschau zu halten schienen: Soldaten, Naroks Männer und inzwischen auch diese Bürgerwehr. Zum Glück veranstalteten sie bei ihrer Suche viel Lärm, vielleicht, weil die Männer nicht besonders erpicht darauf waren, ihm zu begegnen, und ihm mit dem Krach Gelegenheit geben wollten, rechtzeitig zu verschwinden. Er war über Dächer und Mauern gekrochen, über zahllose Pfade und Höfe geschlichen, bis er endlich wieder in dem weitgehend verlassenen Viertel im Westen der Stadt angekommen war. Und nun wartete er. Der Mond stand hoch, es musste schon Mitternacht sein.
Der Hüne kam. Er schlenderte ganz offen über die Straße, als habe er nichts zu verbergen, ging jedoch an ihrem Treffpunkt vorbei und verschwand am Ende der Gasse in den Schatten. Würde er nun endlich erfahren, wer er war? Er lauschte. Es blieb still, dann knirschte irgendwo ganz
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