Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
hinabgerissen werde«, sagte der Wirt, hielt den Krug weiterhin fest und schien gar nicht daran zu denken, ihn herzugeben.
Heiram Grams starrte abwechselnd vom Krug zum Wirt und zurück. Er konnte unmöglich acht Biere getrunken haben. Er sah in die Runde. Es war zwar schon weit nach Mitternacht, aber das Wirtshaus war wegen des Jahrmarkts noch recht gut gefüllt. Nur er, er hatte inzwischen einen Tisch für sich alleine. Mehrere leere Krüge standen darauf, aber es waren sicher keine acht. Er hatte das erste Bier trinken müssen, um die Angst zu besiegen, und dann eines, um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen, ein weiteres, weil Reden doch eigentlich gar nicht seine Sache war, dann ein Bier, weil man hier nicht sehr nett zu ihm war, dann ein letztes, weil er endlich jemanden gefunden hatte, der mit ihm redete, einen Auswärtigen, der ihm auch von dem Mädchen erzählte, das zur Burg geschafft worden war, und dem folgte ein Allerletztes, weil er es nicht ertrug, was der Mann erzählte, und schließlich noch ein Krug, um sich zu beruhigen, und dann noch einer zum Abschied. Also, nie im Leben waren das acht. » Ihr seid nicht sehr freundlich zu einem ehrbaren Köhler, Herr Wirt«, sagte er.
» Ich war so freundlich, Euch mit gutem Bier zu versorgen, Köhler. Und ich bin so freundlich, Euch noch ein wenig Zeit zu lassen, um Eure Groschen zusammenzusuchen, bevor ich die Wachen rufe.«
» Dann entschuldigt mich für einen Augenblick. Mein Freund Marberic wird mir sicher etwas borgen, ich bin sofort wieder da. Er ist klein, aber reich, wisst Ihr?« Er erhob sich und versuchte dabei, ein einnehmendes Lachen an den Mann zu bringen.
Der Wirt schüttelte den Kopf und legte ihm die Hand auf die Schulter. » Für diese Art Späße fehlt mir der Sinn, denn der erwacht erst, wenn man ihn mit dem Klang guter Groschen weckt.«
Grams kramte weiter in den verschiedenen Taschen seiner Kleidung herum. Vielleicht hätte er Marberic vorher um etwas Silber bitten sollen. Er schüttelte den Kopf, denn ihm fiel ein, dass er genau das getan hatte. Sie hatten einen Ausgang gefunden, in einem Hinterhof, mitten in der Altstadt. Er hatte den Mahr nach Geld gefragt, weil sein eigenes höchstens für einen halben Humpen reichte. Aber Marberic war der Meinung gewesen, das sei genug. Er hatte ihm aber dann doch etwas gegeben, einen Ring aus Eisen. Marberic hatte etwas über den Ring gesagt, irgendetwas über Kraft, aber Grams wusste nicht mehr, was es war. Er zog die Hand aus der Tasche und betrachtete sie. Der Ring steckte schmal und stumpf auf seinem kleinen Finger. » Dieser Ring, Wirt, meint Ihr nicht, dass er leicht seine zehn oder zwölf Krüge wert sein könnte?«
Der Wirt warf einen kurzen und verächtlichen Blick darauf und sagte: » Bitte, meine Geduld ist am Ende. Es ist kein Silber, nur Blech, und völlig wertlos. Also, zahlt Ihr nun, oder muss ich die Marktwache rufen?«
Immer noch hielt er den Krug verführerisch nah, beinahe in Grams Griffweite. » Vielleicht können wir uns einigen. Wisst Ihr, ich war einst der beste Ringer von Atgath. Ich wette um einen Silbergroschen, dass mich niemand von den Herrschaften in diesem noblen Gasthaus in einem anständigen Ringkampf zu besiegen vermag.«
Der Wirt knallte den Krug auf den Tisch. » Und ich wette einen Schilling, dass niemand hier Euch auch nur anfassen würde, Köhler. Ihr seid verdreckt, als hättet Ihr seit Tagen im Kohlenstaub geschlafen und Euch nicht gewaschen. Ich frage mich, was mich bewogen hat, Euch überhaupt in dieses ehrbare Haus zu lassen. Arnig, Gurid, kommt her und helft mir. Wir schaffen diesen Sack Kohlen vor die Tür.«
» Ihr … Ihr werft mich hinaus?«, rief Grams, der sich plötzlich am Kragen gepackt fühlte.
» Vor die Tür, und dann geht’s zur Marktwache, so ist es. Los, packt an!«
» Dann noch einen auf den Weg«, meinte Grams und langte mit unsicherem Griff nach dem Bierkrug.
Jemand hielt ihn jedoch am Kragen und zerrte ihn von der Bank. Und da war noch ein Händepaar, das ihn am Wams gepackt hielt. Grams strampelte und trat gegen den Tisch, der durch den Tritt ein gutes Stück angehoben wurde, kippte und polternd umfiel. Klirrend zerbrachen die leeren Steinkrüge auf dem Boden. Grams blickte auf den vollen Krug, der ebenfalls zerbrochen war. Eine dunkle Pfütze breitete sich zu seinen Füßen aus.
» Nun reicht es«, brüllte der Wirt und gab Grams einen Stoß, und da ihn die beiden Gehilfen nicht mehr festhielten, stürzte er zu Boden und
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