Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
schilderte er, was vorgefallen war.
» In der Burg eingesperrt? Heiram und eine Rauferei, das erstaunt mich kaum, aber Ela? Was wird ihr vorgeworfen?«, fragte der Glasmeister verwundert.
» Sie hat einen Fremden in die Stadt gebracht, und wie sich herausstellte, ist er ein Schatten«, erklärte Aggi. Er verschwieg dem Glasmeister, dass Ela nicht im Kerker, sondern bei Meister Hamoch war, und dass er sich Sorgen um sie machte, das verschwieg er auch.
» Ein Fremder, wirklich?«, erwiderte Wulger Dorn, und Teis Aggi hatte den Eindruck, dass der Glasmeister ebenfalls etwas verheimlichte. Er hatte den Kohlenkarren im Hof gesehen, also konnte er sich ungefähr denken, was es war: Ela hatte den Schatten mit hierhergebracht – ein Zeichen, dass sie völlig arglos gewesen war. Er beschloss, den Meister nicht darauf anzusprechen, denn er achtete ihn zu sehr, um ihn unnötig in Verlegenheit zu bringen. » Es ist nun Folgendes, Meister Dorn«, sagte er stattdessen, » wenn die beiden gefangen sind, ist niemand da, der sich um Stig und Asgo kümmert. Und da wollte ich fragen, ob Ihr nicht eine Möglichkeit seht …«
Wulger Dorn kratzte sich am Hinterkopf. » Asgo ist zwar eigentlich schon alt genug, aber Ihr habt Recht. Ich werde gleich einen meiner Gesellen hinüberschicken. Die beiden können bei mir wohnen, bis diese Dinge geklärt sind – sie werden doch geklärt, nicht wahr?«
Aggi nickte. » Es ist nur ein Missverständnis und wird sich bald aufklären«, behauptete er, obwohl er sich gar nicht mehr sicher war. Hätte Hamoch sie nicht längst freilassen müssen, wenn sie doch nichts zu verbergen hatte?
Er verließ die große Werkstatt des Glasbläsers und ging endlich nach Hause. Die Müdigkeit lag inzwischen wie Blei auf ihm, aber er fand keine Ruhe. Zu viele Dinge gingen ihm im Kopf herum. Die Sorge um Ela, der Ärger mit ihrem Vater und die seltsamen Ereignisse, auf die er sich keinen Reim machen konnte. So vieles von dem, was er gesehen und gehört hatte, passte einfach nicht zusammen. Als er die Tür aufschloss, wusste er immerhin, was ihn schon seit den Faustkämpfen störte: Beleran wurde von zwei Leibwächtern begleitet, auf ausdrücklichen Wunsch seiner Gattin, wie er gesagt hatte. Wenn die Baronin aber glaubte, dass der Schatten es auf ihren Mann abgesehen haben könnte, dann waren zwei Leibwächter eindeutig zu wenig. Aggi seufzte. So vieles stimmte nicht in Atgath: Die Toten, die Schatten, Ela Grams, es war ein wirres Durcheinander von Dingen, die nicht waren, wie sie sein sollten. Er spähte in die Küche, doch seine Mutter war offenbar nicht zu Hause. Das war ihm nur recht. Er setzte sich an den schlichten Küchentisch, nahm Pergament und Feder zur Hand und begann aufzuschreiben, was seit dem vorigen Tag alles geschehen war, denn er dachte, dass er so seine Gedanken vielleicht ordnen könnte. Apei Ludgars Tod, der Eindringling auf dem Dach, der Schatten, der tote Händler. Der Schatten, natürlich, er stand im Zentrum, aber irgendwie schien er Aggi nicht die treibende Kraft bei all diesen Ereignissen zu sein. Doch wer konnte es dann sein? Er schrieb all seine Gedanken und Fragen nieder und sah bald, dass er fast alles, was er notierte, auf mehr oder weniger verschlungenen Pfaden mit Meister Ured oder mit der Baronin von Taddora in Verbindung bringen konnte.
Die Mittagssonne hatte sich durch den Dunst gekämpft und warf nun blasses Licht durch die Fenster der Burg. Shahila von Taddora nippte an dem Tee, den der Gesandte Brahem ob Gidus in seinem Quartier reichen ließ.
» Es ist wirklich eine unerwartete Freude, dass Ihr mich besucht, Baronin«, sagte der Graf und faltete die Hände über seinem enormen Bauch.
» Und es ist eine Freude, dass Ihr diesen Tee nach Atgath mitgebracht habt, Graf. Mansupa?«
» Ah, Ihr seid eine Feinschmeckerin. Ja, er stammt aus Mansupa, ich habe mir jedoch erlaubt, ihn mit etwas Rimar zu mischen, denn ich finde, es rundet den Geschmack noch ein wenig ab.«
» Er erinnert mich an die Sommerabende auf den Terrassen unseres Palastes in Elagir, Graf.«
» Wenn Ihr wünscht, lasse ich ein wenig davon an Eure Baronie liefern, als ein bescheidenes Zeichen der Wertschätzung, Baronin.«
Shahila nahm das Angebot mit einem Lächeln an, nachdem sie das übliche Spiel von beschämter Ablehnung, beinahe beleidigter Wiederholung des Angebots und schließlich erfreuter Einwilligung hinter sich hatte.
» Dennoch vermute ich, dass es nicht der Tee ist, der Euch zu mir führt,
Weitere Kostenlose Bücher