Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Baronin«, sagte der Gesandte, als das endlich geklärt war.
» Ihr habt Recht, Gidus. Eigentlich hatte ich vor, Euch aufzusuchen, um mit Euch über Fragen des Handels zu sprechen, denn bislang machen die Schiffe des Seebundes meist einen Bogen um den kleinen Hafen unserer Baronie, aber …«
» Aber?«
» Ich bin in Sorge, Graf, in großer Sorge.«
Der Gesandte rührte bedächtig in seinem Tee. » Ich verstehe«, sagte er dann. » Noch keine Nachricht von den Prinzen?«
» Nichts, und man muss doch annehmen, sie würden einen schnellen Boten voraussenden, wenn sie in Felisan gelandet wären.«
» In der Tat«, stimmte der Gesandte zu.
» Ich habe dafür keine Erklärung, Graf.«
» Nun, das Wetter, widrige Winde, ein Schiff kann sich aus vielen Gründen verspäten.«
» Ich begreife Eure Ruhe nicht, Gidus. Die Prinzen – und Gajan ist sicher einer der klügsten Köpfe des Seebundes – werden vermisst, und jetzt geht ein Schatten um in dieser Stadt – lässt Euch das kalt?«
Der Gesandte lächelte ein sehr feines Lächeln. » Keineswegs, werte Baronin, keineswegs. Seht, ich habe nun auch Wachen vor der Tür, und ich bin zuversichtlich, dass die Soldaten von Atgath und die Krieger, die Ihr mitgebracht habt, diesen Mann schon stellen werden.«
» Wirklich? Er ist ein Schatten, außerdem …«
» Ja?«
» Kann ich darauf vertrauen, dass das nun Gesagte unter uns bleibt, Graf?«
» Selbstverständlich«, sagte Gidus unbewegt.
Shahila zögerte. Ihre Meinung über den Grafen war im Großen und Ganzen gefestigt: Er trat leutselig auf, gab sich harmlos, und sie hatte ihn anfänglich tatsächlich für einen fetten Dummkopf gehalten. Aber dann hatte sie über all die kleinen Sätze nachgedacht, die er beim Bankett geäußert hatte, und war zu dem Schluss gekommen, dass er hinter seinem gewaltigen Bauch eine ebenso große Gerissenheit versteckte. Er war sicher nicht so leicht zu täuschen wie Meister Hamoch. Sie musste vorsichtig sein. Leise sagte sie: » Ich glaube, der Schatten hat einen Verbündeten in der Burg.«
Der Gesandte hob kurz die Augenbrauen, dann nickte er. » Natürlich, jener ermordete Verwalter, wie war sein Name? Nun, der stand wohl mit ihm in Verbindung, nach allem, was ich höre. Nicht zu seinem Vorteil, wie ich anmerken möchte, nicht zu seinem Vorteil.«
» Ich habe lange darüber nachgedacht, und ich glaube, es muss noch jemanden geben«, sagte Shahila.
Die Augen des Gesandten verengten sich um eine Winzigkeit. Sein Gesicht bekam etwas Lauerndes. » Wie kommt Ihr darauf, Teuerste?«
» Ich hörte, die Wachen trafen vergangene Nacht in den Straßen unterhalb der Burg auf den Schatten. Was wollte er dort? Außerdem, ich habe es bislang nicht erwähnt, aber die Einladungen, von denen hier niemand etwas wusste …« Sie hielt inne, als scheue sie sich, es auszusprechen.
» Bitte, Baronin, sprecht es aus, wir sind hier unter Freunden«, sagte der Gesandte, beugte sich so weit vor, wie sein Bauch es zuließ, und nahm in einer warmherzig wirkenden Geste ihre Linke in seine fleischigen Hände.
Du fettes, selbstgefälliges Schwein, dachte Shahila und sagte: » Ihr seid zu gütig, Graf. Nun, also, unsere Einladung war von Quent höchstpersönlich gesiegelt.«
Gidus hob wieder eine Augenbraue und sagte nach kurzem Zögern: » Das ist leicht erklärlich, der Verwalter hat das Siegel wohl einfach gefälscht.«
Shahila sah ihm mit gespielter Überraschung in die Augen, lachte erleichtert und sagte: » Natürlich! Wie Recht Ihr habt, Gidus. Wie konnte ich nur etwas anderes denken?«
» So völlig überzeugt wirkt Ihr jedoch nicht, Baronin«, meinte der Gesandte und gab sich fürsorglich. Immer noch hielt er ihre Hand.
» Oh, doch, ich bin sicher, die andere Sache ist wohl einfach nur ein dummer Zufall.« Aber dann erzählte sie auf sein hartnäckiges Drängen, wie sie angeboten hatte, eine Belohnung zur Ergreifung des Schattens auszusetzen, und wie Quent das aus Gründen, die sie nicht verstehen konnte, abgelehnt hatte.
Gidus hörte zu und nickte gelegentlich, am Ende sagte er: » Ich denke, Ihr habt insofern Recht, dass die von ihm genannten Gründe wirklich etwas fadenscheinig sind, ich denke jedoch, dass ich den wahren Grund kenne. Es ist sein Stolz. Er kann einfach nicht zulassen, dass sich jemand in seine Angelegenheiten einmischt.«
» Ah, das mag sein«, meinte Shahila, die feststellen musste, dass der Graf die Schwäche des Zauberers ebenso gut erkannt hatte wie sie selbst. Er war
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