Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
auch nichts genutzt, denn er hatte kein Geld in der Tasche, und irgendwie hatte er den Eindruck, dass er das mit vielen Menschen hier gemeinsam hatte. Dann entdeckte er den abgesteckten Ring, in dem die Kämpfe stattfinden würden. Er war auf der Südseite des Marktes aufgebaut, ganz in der Nähe zweier Häuser, die die anderen überragten. Von Ela erfuhr er, dass es sich bei dem einen um das Gericht und bei dem anderen um das Zunfthaus handelte, was ihm nichts sagte. Er bemerkte am Kampfring auch eine kleine Ehrentribüne, vermutlich für den Herzog, aber selbst die machte in seinen Augen einen armseligen Eindruck.
Zur Enttäuschung gesellte sich bald noch ein anderes Gefühl: Ungeduld. Es gab wirklich nicht viel zu sehen, aber Ela starrte und staunte jeden Stand an, als sei er das Wunderbarste auf der Welt. Besonders die Tuchstände hatten es ihr angetan, dabei hatte sie nicht einmal Geld, um sich irgendetwas zu kaufen. Trotzdem schien sie jeden Stoff betrachten und befühlen zu müssen. Sie behauptete, dass sie es tat, um sich unauffällig umzuhören, aber das bezweifelte er. Er selbst belauschte viele Gespräche, und in den meisten ging es um Apei Ludgar, den Toten vom Bach. Sein Tod war in aller Munde, und man überbot sich in schrecklichen Einzelheiten der Ereignisse, die sich leider oft gegenseitig ausschlossen: Entweder, er war von einem Turm gestürzt, dann ertrunken oder erstochen, von einer Hure erschlagen oder von seiner Frau vergiftet worden, manchmal war er angeblich auch sowohl erschlagen wie auch ersäuft worden, und niemanden schien es zu stören, dass sich die Gerüchte widersprachen. Weitgehende Einigkeit herrschte hingegen darüber, dass es Ludgar recht geschehen war. Aber auch dafür wurden wieder viele Gründe angeführt: Mal war er ein Ehebrecher, dann ein Dieb, ein Hurenbock, ein Betrüger und Falschspieler oder Freund von Räubern gewesen, je nachdem, wem man glauben wollte. Jedenfalls war man allgemein entrüstet, dass der arme Herzog Hado so eine Schlange am Busen genährt hatte, Hado, der Gute, der mildtätige Herr über die Stadt, der sich so selten zeigte und um den man sich allgemein große Sorgen machte.
» Vielleicht erscheint er dieses Mal zu den Kämpfen«, rief ein Händler.
Aber der Kunde, mit dem er sprach, schüttelte bekümmert den Kopf. » Ach, er war letztes Jahr nicht hier, und die beiden Jahre davor auch nicht. Es geht ihm immer schlechter, wie man hört. Ist das nicht ungerecht, dass die Götter einen Mann bestrafen, über den kein Mensch etwas Schlechtes sagen kann?«
» Und dass Ludgar sich nicht schämte, ihn zu bestehlen!«, rief der Händler in ehrlicher Empörung.
» Wenn er nicht schon tot wäre, sollte man ihn aufhängen!«, pflichtete der Kunde ihm bei.
Der Namenlose ging weiter. Er hatte längst begriffen, dass niemand etwas Genaues wusste. Noch schlimmer war allerdings, dass er selbst überhaupt nicht erwähnt wurde: Niemand sprach über einen jungen Mann, der vermisst wurde, niemand verlor ein Wort über einen geheimnisvollen, schwarz gekleideten Fremden, nach dem jemand gesucht hätte – es schien, als habe er die Stadt niemals betreten. Es war allerdings die Rede von einem versuchten Einbruch in die Burg und einem Unbekannten, den die Wachen dringend suchten, aber viele glaubten, der Einbrecher sei Verwalter Ludgar gewesen, denn die Wachen sagten, der Mann sei in den Bach gestürzt – und hatte man den Verwalter nicht aus jenem Bach gezogen? » Ich weiß auch nicht, warum sie ihn noch suchen«, meinte ein Kerzenhändler, » es ist doch offensichtlich, dass es Ludgar war.«
» Aber er soll vom Dach der Burg gefallen sein!«, hielt ein Kunde dem entgegen.
» Er wollte schon immer hoch hinaus«, spottete ein zweiter.
» Die Wache sucht jedenfalls immer noch«, sagte der erste wieder.
» Als wenn die schon jemals etwas gefunden hätten«, meinte der Kerzenhändler. » Am besten, ihr schickt sie zu mir. Ich verkaufe ihnen ein paar Kerzen, vielleicht geht ihnen dann ein Licht auf.«
Der Namenlose ging weiter, während die Kundschaft lachte und der Kerzenhändler sich zufrieden mit seinem Scherz die Hände rieb. An einem anderen Stand war man der Meinung, der Einbrecher müsse einer der Gesetzlosen gewesen sein, die in den letzten Monaten den einen oder anderen reisenden Händler überfallen hatten oder auch in das eine oder andere Haus in der Stadt eingebrochen waren. Wieder so eine Sache, der die Wache nicht Herr wurde.
» Sie liegen dem armen Herzog
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