Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
und gab die Richtung vor. Die anderen folgten, hielten sich am Floß fest und brachten es näher an die Klippen heran. Gajan kam es vor, als ob sich die Brandung noch wilder als sonst über den Felsen brach, als sei sie wütend über seinen Betrug. Es half alles nichts, sie mussten durch die schäumende Gischt.
» Achtet auf die Felsen, sie können Euch die Knochen brechen«, mahnte Kumar. Die Strömung trieb sie zu weit nach rechts, dorthin, wo das steinerne Hindernis nicht zu überwinden war.
» Strengt Euch an!«, rief Kumar.
Gajan fand plötzlich Halt an einem der nadelspitzen Felsen, dicht bei Kumar, der sich gegen die Brandung stemmte und das Floß festhielt, als sie über ihm zusammenschlug.
» Los doch, los doch!«, brüllte der Sklave.
Sie hoben das Floß an, Gajan stöhnte unter der Last, schluckte Wasser, hustete und bekam gerade noch Luft, bevor die nächste Welle sie und ihr Gefährt unter weißer Gischt begrub.
Gajan wurde unter Wasser gedrückt, prallte gegen eine Klippe und schluckte noch mehr Salzwasser. Eine Hand packte ihn unter dem Arm und zog ihn wieder hoch. Hustend kam er an die Oberfläche, sah in das Gesicht des Haretiers, der ihm grimmig zunickte, bevor die nächste Welle über sie hinwegbrandete.
» Jetzt! Jetzt!«, schrie Kumar und drückte das Floß, ächzend vor Anstrengung, hinaus ins offene Wasser. Gajan strampelte, versuchte Hadogan im Auge zu behalten. Sie kämpften und schoben das Gefährt hinaus und wurden von einer weiteren Welle erfasst. Das Floß wirbelte herum, und Gajan hätte beinahe losgelassen. Er sah, dass Kumar seinen Sohn am Kragen packte, weil der sich nicht hatte festhalten können, und Kiet half ihm. Aber jetzt waren sie fast aus der Gefahrenzone. Kumar half Hadogan hinauf auf die wacklige Verbindung von Holztrümmern und zerfaserten Hanf- und Stoffseilen. Dann zog er sich selbst und schließlich auch Gajan hinauf. Das Floß ging fast unter, weil sich auch der Haretier mit dem Oberkörper schwer auf das Gefährt legte.
» Du musst schwimmen, Mann«, forderte Kumar düster und legte die Hand an seinen Dolch, » sonst wird keiner von uns unser Ziel erreichen.«
Der Haretier wurde bleich, glitt aber dann zurück ins Wasser und hielt sich nur noch fest, während er sie schwimmend gleichzeitig antrieb. Kumar zog die beiden vertäuten Planken hervor, die sie als Ruder vorgesehen hatten, und drückte Gajan eine in die Hand. Also kniete Gajan sich hin und begann zu rudern. Erst jetzt bemerkte er, dass er verletzt war. Nicht schwer, nur ein Riss im Unterschenkel, den er sich an den Klippen zugezogen haben musste, aber es blutete. Gajan bedeckte ihn unauffällig mit dem, was von seinen Hosen noch übrig war, und ruderte weiter. Es würde schon aufhören, dachte er.
Die Strömung war auf ihrer Seite, und sie kamen besser voran, als Gajan es für möglich gehalten hatte. Kumar gab die Richtung vor, aber es war eine unsichere Geschichte, denn sie hatten nur den Felsen, den sie gerade verlassen hatten, als Orientierungspunkt. Sie konnten nur hoffen, dass sie die Stelle fanden, an der sie die Krabbenfischer und ihre Reusen vermuteten. Gajan versuchte, nicht daran zu denken, was alles schiefgehen konnte: Ihr knarrendes Gefährt konnte auseinanderfallen, diese Fischer mochten an diesem Tag nicht erscheinen, sie mochten nie wieder erscheinen, weil sie vielleicht andere Fanggründe ansteuerten. Verbissen ruderte er weiter.
» Da vorne – Felsen«, rief Hadogan nach einer Weile.
Gajan konnte die Gischt jetzt auch sehen.
» Wir sind auf Kurs!«, rief Kumar.
» Siehst du, Kiet. Wir haben es fast geschafft«, rief Hadogan.
Der Matrose nickte keuchend. Plötzlich ging er für eine Sekunde unter. Es war, als hätte irgendetwas an ihm gezogen. Er tauchte wieder auf, bleich im Gesicht. Wieder verschwand er für eine Sekunde unter Wasser. Das Floß sackte ein Stück ab. Kiet tauchte wieder auf, völlig verstört, schnappte nach Luft und hielt Gajan hilfesuchend seine Hand hin. Gajan verstand nicht, was da vorging. War das Erschöpfung? Wieder ging der Haretier unter und zog das Floß fast mit hinab.
» Haie«, flüsterte Kumar, und es war das erste Mal, dass Gajan so etwas wie Angst bei ihm bemerkte.
Der Matrose tauchte wieder auf, riss den Mund auf, aber statt eines Schreies gurgelte er nur Wasser und Blut hervor. Jetzt sah Gajan, was den Mann gepackt hatte, ein schwarzer Schatten, der unter dem Floß dahinschoss. Und da war noch einer. Für einen Augenblick leuchtete es
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