Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Haar verschlingen würde. Ich nehme an, dass sie das eigentlich schon weiß und vielleicht nur zu stolz ist, sich das einzugestehen. Sagt ihr, dass sie ihren Stolz vergessen soll, wenn sie das hier überleben will. Wenn sie sich dem Heer ergibt, hier und heute, fallen all die Pläne ihrer Feinde einfach in sich zusammen, und sie kann vermutlich auf ihrem kleinen Schloss in Taddora ein langes und glückliches Leben führen. Und was kann ein Mensch mehr wollen? Sollte sie sich aber gegen meinen Rat entscheiden und doch entgegen jeder Wahrscheinlichkeit einen Weg zu jenem magischen Schatz tief unter der Erde finden, wäre dieser Krieg nur das kleinste aller Übel, die ihr begegneten. Sagt ihr das.«
Almisan kam keuchend auf die Knie. » Ihr seid wirklich stärker, als Ihr ausseht, Wassermeister.«
» Sind wir hier fertig? Oder soll ich beenden, was ich begonnen habe?«
Der Hüne schüttelte den Kopf. » Nein, ich habe verstanden, aber …« Er stockte. » Der Bach. Wart Ihr das?«
Ured drehte sich um. Es war still geworden unter den Weiden. Der munter fließende Kristallbach war verstummt, nein, er war nicht nur verstummt – er war versiegt, er führte keinen Tropfen Wasser mehr. Was hatte das zu bedeuten?
Bahut Hamoch starrte fasziniert auf die schwarzen Seiten, die ihm nach und nach ihr Wissen offenbarten. Es war unglaublich, welchen Geheimnissen sein neuer Orden auf der Spur war, wie weit er sich in verbotenes Gebiet vorgewagt hatte. Aber sie waren auch misstrauisch, vorsichtig und geheimniskrämerisch, nicht nur, dass nur die Eingeweihten die Schrift überhaupt sehen konnten – nein, die Männer und Frauen, die ihr Wissen dort festgehalten hatten, ließen vieles im Unklaren, verbargen es in Rätseln und versteckten wichtige Hinweise in Symbolen, die Hamoch beinahe übersehen hätte. Sie hatten dafür allerdings gute Gründe: In diesen Seiten schlummerte machtvolle Magie, nichts für junge Zauberer, die mit der Verantwortung vielleicht nicht umgehen konnten. Aber Hamoch war nicht mehr jung, ganz im Gegenteil, er fühlte mehr denn je, dass er seine Jugend mit der falschen Art der Zauberei vertan hatte. Unfähige Lehrer und sture Ordensmeister hatten ihm viele Wege verbaut. Jetzt aber war alles anders. Kisbara hatte ihm einen neuen Pfad offenbart. Er wäre ihr vielleicht sogar dankbar gewesen, wenn sie ihn nicht behandelt hätte wie einen dummen Jungen. Aber hier, in diesen schwarzen Seiten, suchte er nach den Mitteln, die seiner Meisterin endlich beweisen würden, dass es ein Fehler war, ihn so zu behandeln.
Sein Finger glitt über die silbrige Schrift. Die Beschwörung der Toten. So schlicht und zutreffend war das Kapitel beschrieben, das den Kern seines Ordens ausmachte. Das zwiefache Licht, das sowohl den Lebenden wie den Verstorbenen leuchtete – er wusste, wie er es entzünden konnte. Und er wusste, was er zu tun hatte, um Kisbara zu überlisten. Er las die Zeilen noch einmal. Es durfte ihm kein Fehler unterlaufen. Er war dabei, einen Zauber vorzubereiten, der ihn vernichten konnte, wenn er etwas falsch machte. Er sah, dass seine Finger zitterten – die verfluchte Angst war zurück und hatte ihn am Kragen gepackt. Er schluckte und versuchte, sie zu unterdrücken. Er starrte noch einmal auf die Schrift, ohne jedoch auch nur ein Wort zu lesen. Ihm war gerade klar geworden, dass dieser Zauber ihn auch vernichten konnte, wenn er alles richtig machte.
Er runzelte die Stirn. Irgendetwas störte seine Konzentration, und er blickte sich missmutig um. Esara saß auf der Treppe. Sie sprach mit den Homunkuli. Es waren nicht irgendwelche, es waren Panu und Rebu, die er aus Quents Leib geschaffen hatte, und die einzigen, die noch im Laboratorium wirkten. Die anderen hatte Kisbara mitgenommen, um die Mahre in der Tiefe anzugreifen. Ihn hatte sie nicht dabeihaben wollen. » Kümmert Euch um die Vorbereitungen für die Beschwörung, Hamoch, das ist schwer genug für Euch, vielleicht sogar zu schwer«, hatte sie gesagt und war dann in der Tiefe verschwunden. Hamoch ballte die Faust. Es war klar, dass sie ihm den Triumph nicht gönnte. Sie würde da unten einen Sieg erringen, ohne ihn, denn er war ja mit Arbeiten beauftragt, wie man sie sonst einem Zauberlehrling im ersten Jahr zumutete. Aber er würde es ihr schon zeigen. Doch immer noch war da etwas, was ihn störte.
» Was ist das für ein Lärm, Esara?«, fragte er.
Die Dienerin blickte auf. » Ich weiß es nicht, Herr. Es klingt, als rauschte irgendwo
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