Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
auch nicht, was hier vorgeht?«
» Nein, er weiß nichts. Aber wenn ich darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass vielleicht die früheren Herren der Stadt etwas damit zu tun haben könnten.«
Teis Aggi duckte sich hinter den Felsen und lauschte dem Gurgeln des Wassers. Der Mahr hatte es wirklich getan, er hatte mit einem Zauber ein Loch in das Bett des Kristallbachs geschlagen, und nun rauschte das Wasser durch diesen Schlund, hinab in die alten Stollen der Stadt, bis es auf die magischen Wände stieß, mit denen die Mahre eilig jeden Abfluss verschlossen hatten. Oben von den Mauern der Burg ertönten aufgeregte Rufe. Offenbar hatte man auch dort bemerkt, dass der Bach unter der Erde verschwand.
» Wir werden die ganze Stadt überschwemmen«, murmelte Aggi.
» Nein«, meinte der Mahr, der sich neben ihm an den Felsen lehnte. » Wir haben Löcher gelassen, damit es abfließen kann, wenn die Stollen voll sind. Es wird unter der Stadt bleiben, vielleicht einige Keller überfluten.«
» Da werden sich die Atgather aber freuen«, murmelte Aggi.
» Es war eine gute Idee von dir, Teis Aggi«, sagte der Mahr.
» Ich dachte, es würde reichen, wenn man diese unterirdischen Wasserläufe staut.«
Der Mahr schüttelte den Kopf. » Es würde zu lange dauern. Das ist besser.«
» Aber – ist das nicht zu auffällig? Ich meine, ihr habt euch über Jahrhunderte versteckt gehalten, alle haben vergessen, dass es euch gibt, und jetzt dieses Loch im Bachbett?«
» Es ging nicht anders. Die Hexe ist zu gefährlich geworden.«
» Ich hoffe, sie ist ersoffen«, murmelte Aggi.
» Das hoffe ich auch, aber ich glaube es nicht. Diese Art Zauberer ist schwer zu töten.«
» Und sie war die ganze Zeit in der Stadt, ohne dass ich etwas gemerkt habe«, haderte Aggi mit sich selbst.
» Das stimmt«, meinte der Mahr und stand auf. » Komm jetzt. Wir können hier nicht bleiben.«
» Kehren wir zurück in die Stollen?«
» Nicht hier. Sie stehen unter Wasser, weißt du?«
Marberic blieb wie immer völlig ernst, aber Aggi hatte trotzdem das Gefühl, dass er ihn auf den Arm nahm.
» Man wird uns sehen«, sagte er und schielte hinauf zur Burg, wo jetzt mehr Fackeln auf den Türmen zu sehen waren.
» Es ist dunkel. Die Wachen werden kaum etwas erkennen.«
Sie schlichen davon und blieben tatsächlich unbemerkt, was Aggi als Hauptmann der Wache zu denken gab. » Wo gehen wir hin?«, fragte er.
» Es gibt einen anderen Zugang, ein Stück dort hinauf.«
» Dort gibt es aber wahrscheinlich auch Vorposten der Belagerer, Marberic. Jedenfalls, wenn ich bei denen etwas zu sagen hätte, würde ich Leute auf diesen Berg schicken.«
» Ja, aber es sind nicht viele. Sie werden uns nicht sehen und schon gar nicht fangen.«
Es war Jahre her, dass Teis diesen Berg zuletzt bestiegen hatte. Es war ein Ausflug mit Ela Grams gewesen, und sie hatte sich in einem fort über den anstrengenden Aufstieg beschwert. Der ganze Ausflug war insgesamt nicht so verlaufen, wie er sich das seinerzeit gewünscht hatte. Irgendwann drehte Aggi sich um. Es war ein beeindruckendes Bild: Da lag die Stadt, erleuchtet von vielen Fackeln, besonders dort, wo vor wenigen Stunden noch der Kristallbach Altstadt und Neustadt getrennt hatte. Auch bei den Belagerern vor der Stadt brannten viele Feuer und Fackeln. Es schien große Aufregung zu herrschen. Aggi konnte zunächst den Grund dafür nicht erkennen, aber dann sah er, dass die Fackeln sich im Wasser spiegelten – offenbar war das halbe Lager überschwemmt worden. » Waren wir das?«, fragte er.
» Das Wasser. Man kann es nur schwer einsperren. Es sucht sich immer einen Weg.«
Dann sah Aggi noch etwas. » Dort hinten, dieser hell leuchtende Fleck abseits des Lagers – was ist das?«
» Grams’ Hof. Komm jetzt, dort ist der Eingang.«
Aggi kroch hinter Marberic in einen schmalen Spalt, der sich unter zwei großen Steinen auftat. Er fragte sich, woher der Mahr den Namen des Köhlers kannte. Dann packte ihn eine Hand am Arm und zog ihn hinein in den Felsen des Berges.
Heiram Grams stapfte durch die unfertigen Gräben und wunderte sich, dass er dabei nasse Füße bekam. Jemand hatte sich in seinem Hof niedergelassen. Das war falsch, so wie hier alles falsch war. Die Belagerung, die Bombarden, das Heer, dieser ganze Aufmarsch. Sie wollten Atgath, seine Stadt, in Schutt und Asche legen. Darauf lief es doch hinaus, auch wenn sie davon sprachen, dass sie nur das Recht wiederherstellen und den Frieden bewahren
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