Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
waren diese Steine magisch, und nur das Wort würde ihr den Zugang öffnen, das Wort, das leider immer noch nicht bei ihrem Mann angekommen war. Sahif hatte es. Und Sahif war verschwunden. Aber irgendwann musste er wieder auftauchen – und dann würde er sterben.
Sie versuchte, sich auf ihre anderen Aufgaben zu konzentrieren, so lächerlich gering sie auch erschienen. Bahut Hamoch brauchte sie dazu nicht. Er hatte sich in den Katakomben vergraben, und Shahila war der Ansicht, dass sie ohne ihn besser dran war. Ihre Laune war nicht die beste. Sahif war entkommen, und der Wassermeister hatte den Schatz der Stadt geraubt, was bedeutete, dass sie nun vielleicht die Herrin von Atgath, aber leider auch völlig mittellos war. Sie konnte nicht einmal die Klageweiber vollständig bezahlen, die Herzog Hado III . in seine Gruft geleitet hatten, und ihre Klagen darüber waren noch lauter als ihr Gekreische während des Leichenzugs. Auch der Glasmeister, der die vielen zerbrochenen Butzenscheiben der Burg ersetzen sollte, und die Maurer, die den Turm und das klaffende Loch in der Mauer reparieren mussten, verlangten dafür Geld. Offenbar waren es die Leute hier gewohnt, bezahlt zu werden, ja, man war sogar so frech, eine pünktliche Bezahlung zu verlangen. Die Herzöge von Atgath waren offensichtlich viel zu nachsichtig mit ihren Untertanen umgegangen. In Oramar wurden unverschämte Bauern aufgeknüpft und wohlhabendere Menschen mit der Peitsche gezüchtigt, falls sie es wagten, sich den Wünschen des Padischahs oder seines Palastes zu widersetzen.
Aber in Atgath war offenbar vieles anders, und Shahila sah zähneknirschend ein, dass sie wenigstens für eine Weile gute Miene zum bösen Spiel machen musste. Also vertröstete sie die Handwerker, schmeichelte ihnen und lobte ihren Fleiß, wenn sie sich bequemten, trotz offener Rechnungen weiterzuarbeiten. Noch brauchten sie und der kränkelnde Beleran den Rückhalt der Bevölkerung, denn jetzt, wo die Trauer allmählich nachließ, wurden die Zweifel am neuen, noch gar nicht gekrönten Herzog lauter, und vor allem an seiner Gattin. Inzwischen spürte Shahila nicht nur bei den Dienstboten in der Burg diese seltsame Feindseligkeit ihr gegenüber, auch einige von den Handwerkern waren störrisch, was nicht nur an der fehlenden Bezahlung liegen konnte. Solange ihre Macht nicht gefestigt war, brauchte sie die Atgather, musste sie die Bürger der Stadt auf ihrer Seite wissen. Sie brauchte Freunde und Verbündete, die aber nichts kosten durften, was die Wahl stark einschränkte. Und deshalb saß sie nun auf ihrem Thron und lächelte. Rahis Almisan war an ihrer Seite, hielt sich aber im Hintergrund.
Sie hatte nicht nur diesen zweiten Thron, kleiner und bescheidener ausgeführt als der erste, aufstellen lassen, sondern auch dafür gesorgt, dass alle anderen Stühle und Tische aus der Halle entfernt wurden, und natürlich hatte sie auch Hados Totenlager entfernen lassen. So war die Halle nun leer, bis auf einen Läufer, der einen schmalen Streifen des Bodens bedeckte, und einige alte Kandelaber, die aber nicht brannten, weil sie auch Öl sparen mussten. Das einzige Licht kam durch die großen Fenster, doch da diese auf den engen Innenhof blickten, sickerte nur wenig Helligkeit in die weitläufige Halle, und Shahila nahm sich wieder einmal vor, bei Gelegenheit einen Teil dieser verwinkelten und hundertfach umgebauten Burg niederzureißen.
Zwei Männer standen nun in der Halle und warteten, was sie wohl zu sagen hatte. Shahila sah lächelnd von einem zum anderen, denn sie hatte vor, sich beliebt zu machen. Der eine war Hauptmann Fals, der den Arm immer noch in einer Schlinge trug. Ihr war zu Ohren gekommen, dass er in der Stadt als Held galt, weil er einen Kampf mit dem Schatten überlebt hatte. Sie hatte Erkundigungen eingezogen und wusste daher, dass es eher eine Wirtshausschlägerei als ein Kampf gewesen und dass ein volles Dutzend Soldaten nicht mit ihrem Halbbruder fertiggeworden war. Und auch, als Sahif in die Burg eingedrungen war, hatten die Wachen und vor allem ihr Hauptmann eine eher klägliche Figur abgegeben.
Der andere Mann war Leutnant Aggi. Er galt in der Bevölkerung zwar nicht als Held, aber als fähig, was vielleicht die größere Anerkennung war. Er hatte immerhin den Wassermeister festgenommen, eine beeindruckende Leistung, wenn man wusste, wie gefährlich dieser Mann war. Natürlich war Meister Ured wieder aus dem Kerker ausgebrochen, aber das war nicht die Schuld
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